Bahnfahren kann so Sch… sein – 9-Euro-Ticket

Bahnfahren kann so Sch... sein - 9-Euro-Ticket
Das muss besser werden! Schlechte Fahrgastinformation, stinkende und dreckige Bahnsteige, fehlende Fahrkartenautomaten. Symbolfoto: Deutsche Bundesbahn

Ist das 9-Euro-Ticket eine Idee der Autoindustrie?

06.06.2022 – Bahnfahren – “Thank you for traveling with Deutsche Bahn”, Hier den Newsletter bestellenheißt es doch so schön in den Lautsprecherdurchsagen auf manchen Bahnhöfen. “Danke wofür”, wird in diesen Tagen so mancher sagen, “für Verspätungen, Ausfälle, Service-Mangel, Dreck und Gestank?” Wer nun erstmals mit der Bahn fährt, weil er die Reise quasi nachgeschmissen bekommt, kann so einiges erleben.

Bahnfahren mit dem 9-Euro-Ticket

Machen wir doch mal einen schönen Ausflug ins Münsterland. Wir fahren mit der Bahn nach Coesfeld und mit den Rädern zurück. Gedacht getan, so ging es am letzten Freitag morgens um 9.15 Uhr los. Niemand kann sagen, dass wir die Sache nicht strategisch klug angingen. Wir stiegen nicht in Gladbeck-Zweckel in den Zug von Essen nach Coesfeld ein, weil damit zu rechnen war, dass der Zug in Zweckel noch voll mit Schülern ist, die einen Ausflug zum Movie Park in Feldhausen machten.




Also fuhren wir gleich mit dem Rad von Zweckel nach Feldhausen. Auf dem östlichen Bahnsteig angelangt erwartete uns ein fürchterlicher Gestank. Liegt unter dem Bahnsteig etwa eine Kläranlage? Der Bahnsteig war übersät mit Glassplittern – vier Schaukästen (für die Fahrpläne) hatten keine Scheiben mehr.

Die Nummer mit dem Fahrradticket

Unsere 9-Euro-Tickets hatten wir tags zuvor online gebucht. Auf dem Bahnsteig wollten wir die Fahrradtickets dazu kaufen. Leider gibt es auf dem östlichen Bahnsteig weder einen Fahrkartenautomaten noch ein Stempelgerät. Flugs wurden die Handys gezückt. Einer Mitfahrerin gelang es ein Rad-Ticket zu buchen, dann brach die Verbindung ab. Wir versuchten es in mehreren Portalen – alle schienen überlastet zu sein. Da kam die rettende Durchsage: “Der Zug nach Coesfeld hat 10 Min. Verspätung.”

Profitester des Verkehrsverbundes VRR haben den Bahnhof Feldhausen bewertet. In der Gesamtbewertung schneidet der Bahnhof „ordentlich“ ab. Bestnoten bekam der Bahnhof nur in der Kategorie Fahrgastinformation: Die Tester nennen sie „hervorragend“.

Zeit genug, mit dem Fahrrad runter vom Bahnsteig, über den Bahnübergang und auf den anderen Bahnsteig zu fahren. Drei weitere Rad-Tickets wurden gezogen. Als wir wieder glücklich beieinander standen, meinte ein anderer “gestrandeter” Bahnreisender vom gegenüber liegenden Bahnsteig: ” Sie haben hoffentlich das NRW-Fahrradticket gebucht! Das VRR-Ticket für 3,70 Euro gilt nur bis Maria Veen. Coesfeld liegt außerhalb des VRR, da müssen Sie das NRW-Ticket haben.”

Das Chaos nahm seinen Lauf

In dem Moment fuhr der Zug von Dortmund nach Dorsten ein. Ihn verließen in Feldhausen etwa 200 Schüler mit ihren Lehrern. In Zweckel wäre daher der Einstieg mit Fahrrädern nicht möglich gewesen. Gut gemacht dachten wir! Wir ließen den Zug fahren, denn er fuhr ja nur bis Dorsten. Ein eklatanter Fehler, wie sich herausstellte. Man soll immer den ersten Zug nehmen, der einen – wenn auch nur ein Stückchen – seinem Ziel näher bringt!

Der Zug fuhr gerade an, als durch den krächzenden Lautsprecher die Nachricht kam, dass unser Zug komplett ausfällt. Nur drei Minuten früher und wir hätten kein Problem. (Von wegen: Fahrgastinformation: “hervorragend”)

Bahnfahren ist auch in Dorsten nicht so einfach

Es war eine schöne kleine Tour mit dem Rad von Feldhausen zum Dorstener Bahnhof. Er wird gerade umgebaut und nicht nur wir hatten Orientierungsprobleme. Unser Zug nach Coesfeld sollte auf dem Gleis 5 abfahren. Dazu mussten wir den Bahnhof verlassen und mit den Rädern etwa 800 Meter fahren um auf die andere Seite des Bahnhofes zu gelangen. Fünf Minuten Verschnaufpause wurden uns gegönnt, dann hieß es, dass unser Zug nach Coesfeld auf Gleis 1 abfährt. Da waren wir vor 10 Minuten schon. Ab auf die Räder und die 800 Meter in umgekehrter Richtung zurück.

Auf Gleis 1 angekommen stand auf dem Hinweisschild am Zug, dass er nach Essen führe. Einige Reisende, die nach Essen wollten, stiegen ein. Den Zugführer konnte man nicht fragen – niemand da. Es dauerte einige Minuten, da wechselte das Fahrziel Essen in Coesfeld. Die Reisenden auf den Weg nach Essen stiegen aus und wir ein.

Es war eine schöne Radtour – schöner als Bahnfahren

Ich will es jetzt kurz machen. Der Zug fuhr ohne Störung durch bis Coesfeld. Wir wurden nicht kontrolliert, kamen also mit dem “falschen” Fahrradticket bis zum Ziel. Mit: “Thank you for traveling with Deutsche Bahn” wurden wir allerdings nicht verabschiedet.

Insgesamt 77 km legten wir an dem Tag mit dem Rad zurück und konnten das schöne Münsterland bewundern.

Fazit: Wir sind nun fest davon überzeugt, dass das 9-Euro-Ticket von der Autoindustrie finanziert wird. Die Aktion stellt eindrücklich unter Beweis,  dass Bahnfahren nicht wirklich eine Alternative zum Auto ist. Das 9-Euro-Ticket ist also eine gute Investition für die Autoindustrie.

Hier gibt es das 9-Euro-Ticket


Polizeibericht aus Gladbeck Mitteilungen der Stadt Gladbeck

2 Kommentare

  1. Das Dilemma der Bahn ist so alt wie deren Privatisierung. Nichts, das privatisiert wird dient anschließend noch der Allgemeinheit. Aus Prinzip nicht. Wenn eine Daseinsvorsorge und “öffentliche” Infrastruktur funktionieren soll, geht das nur mit rein staatlicher Trägerschaft, damit nicht irgendwelche Gewinnziele bewirken dass das Unternehmen kaputtgespart wird. Das gilt auch für unsere Krankenhäuser die jetzt durch falsche Fallpauschalen “unwirtschaftlich” sind und zugunsten privater Klinikkonzerne stillgelegt werden. Nächste Notfallstation dann in 50 km Entfernung. Wenn man Glück hat… Ich musste letztens wegen eines akuten Augenproblems meiner Frau am Wochenende nach Bochum-Langendreer. Grenze Witten. Sonst gab es keinen diensttuenden Augenarzt mehr im Revier rund um Gladbeck.
    Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass wir das mit dem 9-Euro Ticket versucht hätten… !

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