Ein Gastbeitrag von Matthias Raith
20.06.2024 – Stuttgart 21 – Die Neue Gladbecker Zeitung befasst sich normalerweise mit Nachrichten und Kommentaren zu Gladbecker Ereignissen. Manchmal lohnt sich aber auch ein Blick über den Tellerrand. Ich möchte Ihnen heute eine Geschichte aus Stuttgart erzählen. Bleiben Sie dran, die Sache ist wichtig – für Gladbeck.
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In Stuttgart wird das größte Verkehrsprojekt für Süddeutschland gebaut: die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs und seine unterirdische Anbindung an das Fernnetz der Deutschen Bahn – „Stuttgart 21“.
Nach 15jährigen Überlegungen und Vorplanungen wurde das Projekt 1994 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es sollte 2019 fertiggestellt sein und 2,45 Mrd. Euro kosten. Nach Durchführung des Planfeststellungsverfahren schlossen Land, Bund und Stadt im Jahr 2009 einen Vertrag zur gemeinsamen Finanzierung von jetzt 3,2 Mrd. Euro Baukosten, zuzüglich eines „Puffers“ für Preissteigerungen und Unvorhergesehenes.
Bauzeit und Kosten für Stuttgart 21 viel zu niedrig angesetzt
Wie bei öffentlichen Vorhaben üblich, stellte sich aber bald heraus, dass die Angaben zu Bauzeit und Kosten heftig geschönt, also viel zu niedrig angesetzt waren. Fertigstellung soll nach heutigen Behauptungen Ende 2026 sein, aber ohne jegliche Verbindlichkeit und nur, wenn alles gut geht.
Seit Einrichtung der Baustelle ist das Stuttgarter Zentrum lahmgelegt. Die Stadt hat ihre Lebensqualität bis auf weiteres eingebüßt.
Aktuell schätzt die DB die Baukosten auf 11 Mrd. Das mit der Koordinierung der Planung befasste Münchner Ingenieurbüro rechnet dagegen 17,5 Mrd. Euro vor. Das ist eine Kostensteigerung von mehr als 700 %.
Für alle, die nicht täglich mit Milliarden jonglieren: wir zahlen für „Stuttgart 21“ fast 20 % der wegen des Ukraine-Kriegs beschlossenen Nachrüstung der Bundeswehr für die angeblich erforderliche Verteidigung der gesamten Republik. Der Effekt von „Stuttgart 21“ dagegen ist nur die bessere Anbindung des Stuttgarter Flughafens an die Innenstadt und eine Verringerung der Bahn-Reisezeit nach München von 30 Minuten.
Die Parallele zu Gladbeck liegt auf der Hand:
Das Kreuz mit der A2 und die Untertunnelung der Innenstadt ist das größte und teuerste Verkehrsprojekt in Westdeutschland. Seine Realisierung würde für Gladbeck eine ähnliche Baustelle wie in Stuttgart mit sich bringen. Die im Bundesverkehrswegeplan von 2015 genannten Kosten in Höhe von 319 Mio. für den Tunnel sind aus heutiger Sicht ein fauler Witz. Mit einer auch nur halbwegs realistischen Kostenangabe hätte die A52 nicht in den vordringlichen Bedarfsplan aufgenommen werden dürfen. Die wahren Baukosten hat der Bund bis heute beharrlich und aus guten Gründen nicht offenlegt. Die A52 war, ebenso wie der Verkehrseffekt von Stuttgart, sachlich ohnehin nie notwendig. Fernfahrer würden auf der A52 nur 6 Minuten schneller gegenüber der Route auf bestehenden Autobahnen zum Ziel kommen.
Darauf kommt es aber angesichts neuester Entwicklungen nicht mehr an. Denn:
> Das Verwaltungsgericht Baden-Württemberg hat im Mai 2024 rechtskräftig entschieden, dass die Mehrkosten für Stuttgart 21 nicht im Verhältnis der Kostenanteile der Vertragspartner, sondern allein vom Bund zu tragen sind, er muss also zusätzliche und kurzfristig fällige, schlappe 13 Mrd. Euro!!! berappen.
> Deshalb und wegen der bis über 2030 hinaus prognostizierten, knappen Bundesmittel hat das Bundesverkehrsministerium vor wenigen Tagen die Notbremse gezogen. Es hat die Mittel für Investitionen der Autobahn GmbH im Haushalt 2025 von 6,3 auf 4,9 Mrd. gekürzt. Weitere Kürzungen sind für die Folgejahre angekündigt.
Das definitive Ende des Traums von der A52 durch Gladbeck
Das ist das definitive Ende des Traums von der A52 durch Gladbeck. Ich meine: Das aus der Zeit gefallene Vorhaben ist endgültig erledigt. Das wissen inzwischen fast alle. Selbst die Gladbecker Bürgerinitiativen, die sich vor 10 oder 15 Jahren zusammengefunden haben, hüllen sich in schweigendes Staunen.
Niemand kann verstehen, wie der eloquente Stadtbaurat und unbelehrbare lokale Politiker der großen Ratsfaktionen die A52 samt Kreuz und Tunnel immer noch herbeizureden versuchen. Immer noch verplempern sie Millionen an nicht vorhandenen Haushaltsmitteln für Vorhaben, die nur mit der A52 Sinn machen, von der Vergeudung von Personalressourcen ganz zu schweigen. Stur geradeaus und ungerührt, zu Lasten der Gladbecker Bürger.
Gladbecker Rathaus-Politik ist völlig unverständlich
Die Gladbecker Rathaus-Politik ist insbesondere deshalb völlig unverständlich, weil es bei allen Parallelen zwischen Stuttgart und Gladbeck auch gigantische Unterschiede gibt. „Stuttgart 21“ ist schon längst im Bau und muss, wohl oder übel, fertiggestellt und bezahlt werden. Die A52 durch Gladbeck ist erst in Planung und die kann, wie wir es jetzt erleben, jederzeit gestoppt werden.
Außerdem haben die Stuttgarter Beteiligten einen verbindlichen, in allen Einzelheiten offengelegten Vertrag zur gemeinsamen Finanzierung des Projekts geschlossen. Die 2015 in die Welt gesetzte Behauptung von einem angeblich „endverhandelten Vertrag“ für Bau und Finanzierung zwischen Gladbeck und dem Bund ist dagegen eine Behauptung des ehemaligen Bürgermeisters und seiner willfährigen Gehilfen im Rathaus, in Gelsenkirchen und in Düsseldorf. Im Bundesverkehrsministerium gibt es niemanden, der den behaupteten Vertrag verhandelt, geschweige die Bundesregierung darauf verpflichtet hat. Auf die vorgegaukelte Rechtssicherheit jedenfalls kann niemand in Gladbeck bauen.
Mein Appell: lasst uns Gladbeck Schritt für Schritt lebenswerter machen. Lasst uns endlich aufhören, unsere Zukunft an Wunschträumen festzumachen, die in Wahrheit Alpträume sind.
Polizeibericht aus Gladbeck | Mitteilungen der Stadt Gladbeck |
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