Radfahrer auf der Buerschen Straße leben gefährlich
Ein Gastbeitrag von Matthias Raith
Gladbeck – 12.11.2024 – Lebensgefahr – Der Widerstand der Zivilgesellschaft gegen die neue Verkehrsführung auf der Buerschen Straße in Gladbeck geht unvermindert weiter. Viele betroffene Bürgerinnen und Bürger sind nach wie vor nicht bereit, die konkrete Gefährdung von Radfahrenden aufgrund des Durcheinanders von Radverkehr und Autoverkehr auf einer „gemeinsamen“ Fahrbahn hinzunehmen.
Recht so! Denn die jetzige Verkehrsregelung widerspricht offensichtlich nicht nur den verbindlichen Vorschriften des Straßenverkehrs. Die damit geschaffene Verkehrsführung ist, wie die Praxis jetzt eindeutig belegt, insbesondere für Radfahrer konkret gefährlich. Die Umsetzung des nur durch eine verfehlte Politik zu erklärenden, aber völlig unsachgemäßen Ratsbeschlusses vom April des Jahres braucht sich kein Radfahrer gefallen zu lassen.
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Am Donnerstagmorgen, den 7. November hat der ADFC auf der „Asienbücke“ eine Verkehrsbeobachtung durchgeführt. Sie hat ergeben, dass innerhalb von fünf Stunden (7.30 bis 12.30 Uhr) 122 RadfahrerInnen die Brücke benutzt haben. Die meisten Radler nutzten regelwidrig den ehemaligen Radstreifen unmittelbar neben den parkenden Autos. Obwohl der durch deutliche, aber missverständliche Markierungen auf der Fahrbahn ausdrücklich gesperrt ist.
Lebensgefahr durch Dooring und chaotische Beschilderung
Sie begaben sich damit notgedrungen in die Gefahr von Kollisionen mit achtlos geöffneten Autotüren, dem sog. „Dooring“, statistisch gesehen mit in der Regel schweren Verletzungen und leider auch vielen für Radler tödlichen Aufprallsituationen. 90 % der Kraftfahrzeuge quetschten sich an diesen Radfahrenden vorbei, unter Missachtung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes von 1,5 m und trotz der aufgestellten Überholverbotszeichen. Es überholten auch Lieferwagen, LKWs und sogar Linienbusse.
Radfahrer werden zur unrechtmäßigen Fahrweise gezwungen
Nur vereinzelt nutzten die offenbar besonders mutigen RadfahrerInnen die politisch erzwungene „Verkehrsregelung“ für Kfz und Radverkehr auf der gemeinsamen, engen Fahrspur. Das führte mitunter zu kaum mehr tragbaren Situationen. Das nach Auffassung unserer Politiker eigentlich vorschriftsmäßige Verhalten zwingt die oft dicht auffahrenden und hupenden Autos dazu, auf dem Brückenbauwerks mit seiner Länge von insgesamt 670 m hinter den Fahrrädern herzufahren. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass die Laienspieler im Rathaus die von ihnen geschaffene Situation nicht durchdacht oder gezielt gegen den Radverkehr beschlossen haben.
Nicht verwunderlich ist deshalb auch, dass 22 % der beobachteten Radfahrer – offenbar aus Angst vor Kollisionen mit Kfz – unerlaubt auf dem Bürgersteig fuhren. Dass sie damit, insbesondere im morgendlichen Dämmerlicht, die zu Fuß gehenden Passanten gefährdeten, blendeten sie augenscheinlich aus.
Die behördlichen Prüfungen in dem gegen die Bürgermeisterin der Stadt anhängigen, von der Recklinghäuser Kreisverwaltung mit Unterstützung der Bezirksregierung hartnäckig verfolgten Kommunalaufsichtsverfahren, konnten, Stand heute, noch nicht abgeschlossen werden. Denn die Gladbecker Stadtverwaltung hat sich bislang nicht in der Lage gesehen, den offensichtlich rechtswidrigen, weil gefährlichen, neuen Mischverkehr verbal so zu schmücken, dass er gegen alle Fakten (siehe oben) auch im Auge der staatlichen Behörden ungefährlich dasteht.
Akteure in der Stadtverwaltung spielen auf Zeit
Statt ein wenig demütig beizugeben, spielen die Hintermänner und -frauen auf Zeit, sie versuchen die Quadratur des Kreises. Es bleibt dabei: nach den verbindlichen Vorschriften der nordrhein-westfälischen Kommunalordnung hätte die Bürgermeisterin den Beschluss des Planungsausschusses beanstanden und seine Umsetzung unterbinden müssen. Dass sie bis heute trotz zahlreicher Stellungnahmen, Eingaben und Verfahren einfach weggetaucht ist, ist ein Skandal.
Seit Monaten und bis heute ist der Ablauf der Ereignisse gut dokumentiert und öffentlich gemacht. Sowohl die Gladbecker Westdeutsche Allgemeine als auch die online erscheinende Neue Gladbecker Zeitung haben den betroffenen Bürgern ausführlich Gehör verschafft. Der Schriftverkehr zwischen Bürgern und Gladbecker Institutionen und dem Kreis bzw. der Bezirksregierung füllt inzwischen eine ansehnliche Akte. Darin werden zahlreiche, gefährliche Situationen detailliert festgehalten.
Trotz Lebensgefahr: Polizeipräsidentin macht sich einen schlanken Fuß
Die ebenfalls informierte Polizeipräsidentin des Kreises hat allerdings jetzt mit einem Schreiben einer Mitarbeiterin versucht, sich mit schlankem Fuß aus der Affäre zu ziehen. Ein Kollege habe vor Ort keine gefährlichen Situationen beobachten können, schreibt sie. Auch habe man keine signifikante „Unfalllage“ feststellen können. Offensichtlich jenseits ihrer Verpflichtung zur Sorge für die Verkehrssicherheit zeigt die Behördenchefin dennoch Verständnis für die „Verärgerung“ von Verkehrsteilnehmenden und stellt gelegentliche Verkehrskontrollen in den Raum. Vorzugsweise sollten Betroffene aber ohne polizeiliches Einschreiten selbstständig Anzeigen erstatten. Motto: wir machen nichts, Bürger kümmere dich gefälligst selbst für deine Sicherheit!
Ratsmitglieder sind abgetaucht
Dass unsere gewählten Ratspolitiker angesichts der untragbaren, gefährlichen Verkehrslage auf der Buerschen Straße und insbesondere auch die Bürgermeisterin als Chefin der Verwaltung und mit ihrer Aufgabe zur rechtlichen Überwachung von politischen Beschlüssen tatenlos zusehen, wie mitten in der Stadt Menschen konkret gefährdet werden, nur weil sie Fahrrad fahren, ist ein unglaubliches Fehlverhalten.
Auf die ebenso höfliche wie bestimmte, schriftliche Bitte des ADFC und von anderen Institutionen vom Juli des Jahres hat Frau Weist übrigens noch nicht mal eine Eingangsbestätigung geschickt. Geschweige denn, zu dem angebotenen Gespräch eingeladen. Soweit erkennbar hat sie auch auf alle weiteren, an sie gerichteten, ziemlich verzweifelten Hilferufe von BürgerInnen immer wieder in gleicher Weise reagiert: nämlich gar nicht.
Achtung, ab hier Satire: Die Frau Bürgermeisterin hat im Jahr 2021 in einem Interview mit dem ADFC blumig verkündet, die Förderung des Radverkehrs sei für sie ein Herzensanliegen. Das war offensichtlich nur eine mutmaßlich verfehlte Pointe einer witzig gemeinten Zwischenbemerkung. Sie hat doch Recht: Gladbeck ist – immer noch – eine sehr selbstbewusste, „fahrradfreundliche Stadt“. Dieser Ehrentitel ist ihr von der „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte“ auf Zeit verliehen worden. Siehe Website: Radfahren | Stadt Gladbeck. Meckereien von Leuten, die partout nicht Auto fahren können oder wollen, und ein paar ängstliche und gefährdete Radfahrer, vielleicht auch drohende Unfälle auf der Buerschen Straße, sollten dabei nicht schaden.
Polizeibericht aus Gladbeck | Mitteilungen der Stadt Gladbeck |
Bin heute noch einmal mit meinem Rad Richtung Innenstadt ab Puls Rosör „die Buersche“ abgefahren. Was sich da jetzt zeigt, ist wirklich kritikwürdig. Als eine Autogruppe, angeführt von einem LKW, hinter mir ankam (ich hab` grundsätzlich immer am Rad einen Rückspiegel montiert), bin ich auch ängstlich auf den gelbschraffierten Streifen dicht neben den Autotüren gewechselt, wirklich keine angenehme Erfahrung. Ein weiteres Argument dagegen: Die Gladbecker Autofahrer/-fahrerinnen kennen mittlerweile die Situation auf der Straße, aber „Auswärtige“, beispielsweise aus den extrem-radfahrfeindlichen Städten Essen, Oberhausen, Bochum, Mülheim oder Gelsenkirchen, haben bestimmt nicht die Absicht, hinter langsamen Radfahrern hinterherzuschleichen, da wird es gefährlich. Bin gespannt, wann sich da der erste Unfall ereignet?
Noch eine Empfehlung: Bitte dieses Thema sachlich beschreiben, Bemerkungen wie „Laienspieler im Rathaus“ helfen da nicht weiter, wir als Radfahrerinnen/Radfahrer möchten doch alle, dass für uns eine sachliche und ungefährliche Lösung gefunden wird, bei der die Pedaltreter/-treterinnen entspannt und ohne Angst die „Buersche“ durchfahren können!
Lieber Peter,
danke für die in deinem Leserbrief zu meinem Gastbeitrag dokumentierten, deutlichen Hinweise auf die Gefahren der aktuellen Verkehrslage auf der Buerschen Straße.
Zu deiner Bitte um Sachlichkeit und deiner Kritik an meiner Formulierung „Laienspieler im Rathaus“ merke ich allerdings an:
• In der Verwaltungsvorlage zur versuchsweisen Einführung der getrennten Verkehrsführung Kfz / Rad vom März 2023 ist ausdrücklich und gut begründet dargestellt, dass im Falle der Beendigung des Versuchs die Einführung eines Mischverkehrs aus zwingenden rechtlichen Gründen keine Rückfallebene sein kann.
• In der Verwaltungsvorlage für den Planungsausschuss vom 18.4.2024 ist deutlich beschrieben, dass der von SPD, CDU und FDP zur Wiedereinführung von Parkplätzen geforderte Mischverkehr gegen die rechtlichen Regeln verstößt und konkrete Gefahren für Radfahrer bringt. In der Ausschusssitzung selbst hat der Stadtbaurat diese Argumente nochmals ausführlich vorgetragen.
Die Ratsmitglieder, die dennoch für den Mischverkehr gestimmt haben, haben dann aber so getan, als gäbe es die ernst gemeinten, eigens mühsam und sorgfältig für sie aufgelisteten Argumente nicht. Sie haben ohne jegliche Diskussion dazu abgestimmt. Es ist eine Schande, dass die von uns gewählten kommunalen Volksvertreter ihre Beschlüsse auf diese Art und Weise fassen. Unsere Ratsherren und -damen haben damit Gefahren für die Menschen, die ihnen ihre Mandate anvertraut haben, billigend in Kauf genommen. Das ist gewissenlos und unprofessionell. Und es führt, wie sich am Beispiel Buersche Straße zeigt, zu falschen und gefährlichen Ergebnissen. Allenfalls Laienspieler agieren so. Und so nenne ich die Akteure im Rathaus dann auch.
Wenn ich die Briefe zur Buerschen Straße lese (insbesondere von Matthias Raith), erscheint es mir immer wie ein Schlagabtausch, um eine(n) Schuldige(n) zu finden, wie es in der Politik leider so üblich Was ich jedoch vermisse. sind konstruktive Lösungsvorschläge. Ist es wirklich so schwer? Was soll der Irrsinn, Autofahrer(innen) dazu zu verdonnern, dass man hinter einem Radfahrer herfahren muss? Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass der meiner Meinung nach einzig vernünftige Lösungsvorschlag von der besorgten Mutter selbst kam, sich den sehr breiten Fußgängerweg mit Radfahrern zu teilen und die dementsprechende Beschilderung zu ändern. Damit wäre doch die gesamte Problematik vom Tisch. Man sollte doch wirklich mal in Relation Verkehrsaufkommen der Fahrzeuge, Radfahrer und Fußgänger sehen.
Das in der NGZ veröffentlichte Foto der Situation an der Buerschen Straße enthält trotz geringer Auflösung abgesehen von den leeren Parkstreifen noch mehr interessante Information: Es zeigt einen aktuellen Überholvorgang mit zu geringem Abstand! Der Radfahrer im Hintergrund fährt offensichtlich im gelb schraffierten Bereich und wird mit ca einem halben Meter Abstand gerade überholt….
Gut erkannt, Herr Houben – oder wie es die Polizeibehörde wohl ausdrücken würde, keine gefährlichen Situationen zu beobachten…
Nun bin ich mittlerweile selbst an verschiedenen Tagen, zu unterschiedlichen Uhrzeiten, die Buersche Straße komplett abgefahren. Meine diesbezüglichen Erlebnisse, möchte ich derzeit hier nicht darlegen, werde es hingegen an anderer Stelle tun.
Gerne würde ich jedoch unsere politischen Entscheidungsträger motivieren, die Buersche Straße einzeln abzufahren und den von ihnen angeordneten Mischverkehr zu erleben. Und dies, jetzt kommt der Clou, mit dem Fahrrad!