Klimaneutralität bis 2050: kapituliert die Stadt Gladbeck

Klimaneutralität bis 2050: kapituliert die Stadt Gladbeck
Von der Stadt Gladbeck beauftragte Gutachter attestieren der Stadt einen erheblichen Nachholbedarf in Sachen Klimaschutz.

Stadt Gladbeck und die Pariser Klimaziele

Von Dr. Norbert Marißen

11.02.2022 – Klimaneutralität – Auch Gladbeck Hier den Newsletter bestellenist dem Pariser Klimaschutzziel verpflichtet und will seinen Teil dazu beitragen, dass die globale Erwärmung unter 2 Grad begrenzt werden kann. Dazu sind CO2-Ausstoß und Energieverbrauch in Gladbeck drastisch zu senken. Die Bürgermeisterin hat eine Ingenieurgesellschaft beauftragt, das Gladbecker Klimaschutzkonzept von 2010 fortzuschreiben. Es benennt, was vor Ort nötig wäre, um den städtischen Verpflichtungen nachzukommen.




Beschreibung des Zielzustandes im Jahr 2050

Der Gutachter schickt voraus, dass es erheblicher Anstrengungen bedürfe, um die Anforderungen des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht der Gladbecker Energieverbrauch. Im Jahr 2050 soll nahezu 80% des Energiebedarfs durch Strom aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Lediglich bei der Wärmeversorgung sollen noch andere Energieträger wie Biomasse eingesetzt werden. Der Endenergieverbrauch soll zudem bis zum Jahr 2050 um 56 Prozent sinken.

Der benötigte Strom aus erneuerbaren Energien soll zu einem Drittel lokal produziert, der Rest kann hinzugekauft werden. Damit Gladbeck ein Drittel des benötigten Stroms selbst herstellen kann, ist die Photovoltaik auszubauen, nämlich von heute 5 MWp Milliwatt Peak (Bezeichnung für die elektrische Leistung von Solarzellen) auf 333 MWp (!). Das Potential an Windenergie betrachtet der Gutachter als ausgeschöpft.

Anforderungen an die lokalen Beteiligten

Die Notwendigkeit zur Einsparung von Energie betrifft sowohl private Haushalte, als auch die Industrie und die im Gutachten separat betrachtete Mobilität. Dabei sollen private Haushalte 2050 nur noch 38% der Endenergiemenge von 2019 verbrauchen, die Industrie 56% und der KFZ-Bereich nur noch 27%. In absoluten Größen muss die Wirtschaft den größten Sparbeitrag leisten.

Jährliche Anpassungsleistungen bei Gebäuden, Privathaushalten und bei Fahrzeugen

Wie aber können wir die Reduzierung des Endenergiebedarfs in den genannten Bereichen erreichen?

Bei der energetischen Erneuerung des Gebäudebestandes müssen jährlich 3,8% aller Gebäude so saniert werden, dass der Wärmeverbrauch um 80% reduziert wird. Privathaushalte müssen ihren persönlichen Energieverbrauch jährlich um 1,4% verringern. Der Anteil der E-Fahrzeuge muss jährlich um 4,8% wachsen, d.h. schon 2030 sollten 20.000 E-Fahrzeuge in Gladbeck unterwegs sein. Und zusätzlich muss die Gladbecker Bürgerschaft bei der PKW-Nutzung jährliche ihre Fahrleistung um 2,6% reduzieren. Wer also heute 20.000 Kilometer im Jahr zurücklegt, sollte im nächsten Jahr nur noch 19.480 Kilometer fahren, im übernächsten 18.970 usw.

Linienbusse und Klimaneutralität

Linienbusse und Lastverkehr müssen jährlich in einer Größenordnung von 2,4% auf Wasserstoffbetrieb umgerüstet werden. Gleichzeitig ist die Erhöhung der Fahrzeugkilometer der Gladbecker Busse um 20 % erforderlich, um den reduzierten Autoverkehr auszugleichen.

Steuern

Um zu prüfen, ob die notwendigen Schritte zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele auch umgesetzt werden, empfiehlt der Gutachter dringend die Einführung eines Controlling – Instruments. Damit soll jährlich erkennbar sein, ob man die Ziele erreicht. Denn der Gutachter bescheinigt der Verwaltung unverblümt, „dass jetzige Maßnahmen nicht zur Zielerreichung ausreichen“. Was nicht verwundert, wenn man sich den Maßnahmenkatalog der vergangenen 10 Jahre genauer ansieht. Die Verwaltung verweist auf Mitgliedschaften (AGFS, Zukunftsnetzwerk NRW), Gesprächsrunden, Beratungen und Erstellen von Konzepten, Elektrifizierung des eigenen Fuhrparks, Schaffung einer Ladeinfrastruktur, Förderung von Lastenrädern, Durchführung von kostenlosen ÖPNV-Tagen oder die Einstellung eines Mobilitätsmanagers. Angesichts der Ziele, die es zu erreichen gilt,wirken die bisher durchgeführten Maßnahmen kraftlos und reichen natürlich nicht annähernd aus.

Sechs Handlungsfelder für die Zukunft

Wer glaubt, im Schlusskapitel würden zukunftsweisende, konkrete und effektive Maßnahmen zur Erlangung der Klimaneutralität aufgelistet, wird enttäuscht sein.

  • Im Handlungsfeld „Gebäude und Quartiere“ soll ein Sanierungsmanagement Quartierskonzepte begleiten, um die Sanierungsquote zu erhöhen.
  • Im Handlungskonzept „Industrie“ erkennt die Verwaltung, dass Strategien erforderlich sind, um Unternehmen von Maßnahmen zur Klimaneutralität zu überzeugen. Dazu will sie durch Beratungs- und Informationsangebote Anreize schaffen und dazu eine/n Gewerbegebietsmanager/in neu einstellen.
  • Im Handlungsfeld „Energieversorgung und erneuerbare Energien“ sind Aufklärungskampagnen zum Heizungstausch und Photovoltaikausbau auf privaten Dächern vorgesehen. Daneben soll das Stromangebot sukzessive auf 100% Ökostrom umgestellt werden.
  • Zum Handlungsfeld „Kommune“ heißt es, dass man die bisherigen Aktivitäten weiter ausbauen will. Für die kommunalen Liegenschaften will die Verwaltung Energie- und Nachhaltigkeitsstandards festlegen.
  • Beim Handlungsfeld „Mobilität“ meint die Verwaltung, mit dem vorliegenden Elektromobilitätskonzept und einem Radverkehrskonzept bereits wichtige Grundlagen für die Förderung einer klimaschonenden Mobilität geschaffen zu haben.
  • Beim Handlungsfeld „Klimaschonender Lebensstil“ ist die Gladbecker Bevölkerung die Zielgruppe. Im Rahmen einer Kommunikationskampagne sollte man die Bürger/innen zu einem eigenständigen und klimaschonenden Verhalten animieren und so ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Wohl weit am Ziel vorbei

Wenig konkret und kaum wirkungsvoll, so kann man die vorgesehenen Maßnahmen der Stadtverwaltung zusammenfassend bewerten. Weil sie das selbst wohl so sieht, folgt sie dem Vorschlag des Gutachters eben nicht, ein strenges Controlling zu installieren und die Politik jährlich vom Erfolg oder Misserfolg des eingeschlagenen Weges zu unterrichten.

Dass die Mehrheit der Ratsmitglieder nicht kritisch nachhakt, zeigt auch, dass sie an einem eigenen Gladbecker Beitrag zum Klimaschutz kaum interessiert ist. Wirksame Maßnahmen wären nämlich erstens teuer und zweitens in weiten Teilen der Bevölkerung unpopulär. Das nationale Klimaschutzziel bleibt so in Gladbeck unerreichbar, das neue „Klimaschutzkonzept“ und auch der schon etwas ältere „Klimanotstand-Beschluss“ haben die Qualität von Lippenbekenntnissen.


Polizeibericht aus Gladbeck Mitteilungen der Stadt Gladbeck

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