A52 in Gladbeck: Perspektive für die Beerdigung

A52 in Gladbeck: Perspektive für die Beerdigung
Es ist an der Zeit, die A52 und das gigantische Autobahnkreuz zu beerdigen. Vor 10 Jahren haben die Gladbecker in einem Ratsbürgerentscheid den Autobahnbau abgelehnt. Inzwischen haben sich die Parameter deutlich zu Lasten des Autobahnbaus verändert. Bild: Autobahn GmbH

Jetzt ist es an der Zeit, endgültig Abschied zu nehmen von der A52 auf Gladbecker Stadtgebiet, vom Kreuz mit der A 2 auf dem Pelkumer Feld und am Wittringer Park und von der Querung durch die Stadt.

17.02.2022 – A52 in Gladbeck

50 Jahre Vorgeschichte

Das Vorhaben einer durchgehenden A52 von der deutschen Nordsee bis in den Süden der Niederlande stammt – ausdrücklich festgelegt in einem inzwischen längst vergessenen niederländisch-deutschen Staatsvertrag – aus dem 1950er Jahren, als die gesamte Gesellschaft ziemlich rücksichtslos nach immer mehr Straßen und Autobahnen für ihre geradezu explodierende Motorisierung gierte.




Gebaut wurden lediglich Bruchstücke, andere Teile der erträumten Fernverkehrsachse mussten wegen örtlicher Widerstände definitiv beerdigt werden. Der große Plan schrumpfte zum nur noch regional beachtenswerten Lückenfüller. Der kleine Abschnitt zwischen Gladbeck und Essen, vorbei Bottrop, ist für den Verkehr auf (inter-) nationalen kaum mehr bedeutsam. Dennoch setzten ihn eifrig-einseitige Straßenpolitiker – mit oder ohne einen Teiltunnel durch Gladbeck – immer wieder auf die Tagesordnung. Trotz aller Bemühungen: gebaut wurden die paar Kilometer nicht.

Endgültige Entscheidung durch Volkes Stimme

Der Ratsbürgerentscheid von 2012 sollte, so ein paar trickreiche Drahtzieher in Bund und Land, den Widerstand durch ein „Ja“ der Gladbecker zur Autobahn samt Tunnel politisch aus der Welt schaffen. Die Gladbecker waren nach den damals wie heute geltenden Immissionsschutz- und Umweltgesetze am stärksten und eigentlich über die zulässigen Grenzen hinaus betroffen. Anders als beim Großprojekt Stuttgart 21, das in einer katastrophalen Bürgerrevolte endete, sollte das Volk nicht wie dort nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens, sondern schon vor Beginn der längst überfälligen Planung zur innerstädtischen Autobahn seinen Segen geben und auf Widerstand verzichten.

Das Ergebnis wurde zum Fiasko für alle Politiker, die den Ansiedlern auf dem ehemaligen Chemiegelände in Marl einen direkten Autobahnzugang in den Kern der Metropole Ruhr versprochen hatten. Die Gladbecker stimmten mit mehr als 12.000 abgegebenen Stimmen und einer Quote von 56 % gegen das Projekt. Die vom Stopp betroffenen Lokalpolitiker in Bottrop und Gladbeck, vorab die beiden Bürgermeister, gelobten die Umsetzung des überzeugenden Bürgerwillens. Mit einem leider nicht ernst gemeinten Bekenntnis gegen die A52 gewannen sie die Kommunalwahl 2014.

Ernüchterung nach der Kommunalwahl: die A52 ist weiterhin geplant

Die Gladbecker hatten sich aber zu früh gefreut. Statt des jetzt endlich notwendigen Rückbaus der B224 zu einer menschen- und umweltverträglichen Stadtstraße verfolgte ihr damaliger Bürgermeister, Herr Ulrich Roland, zusammen mit einer Gruppe von Helfern, die ebenso unehrlich waren wie er, weiterhin die Realisierung der Autobahn: Hinter dem Rücken der Menschen, die ihnen die Lenkung der Stadt anvertraut hatten.

Herr Roland war feige. Er traute sich nicht, seine wahren Absichten ehrlich zu offenbaren.  Er verlegte sich auf die bewusste Unwahrheit und die Täuschung aller Gutgläubigen. Dazu erfand er einen angeblichen Vertrag mit dem Bund, obwohl der dem Rat und der Öffentlichkeit präsentierte Entwurf juristisch kaum brauchbar und in seinem provinziellen Umfeld zusammengeschustert war. Der Entwurf war entgegen der Rolandschen Behauptungen den zuständigen Stellen in Berlin nicht bekannt und schon gar nicht mit ihnen „endverhandelt“. Ein als Anlage zum angeblichen Vertragswerk vorgelegtes „Eckpunktepapier“ war nichts anderes als der wörtliche, schon Ende 2011 niedergelegte Vermerk eines Mitarbeiters des städtischen Planungsamtes, der die Wünsche der Stadt zusammengefasst hatte.Alle darin als Zusagen des Bundes beschriebenen Aussagen zu Technik und Finanzierung waren aus der Sicht der für Bau und Finanzierung der Autobahn zuständigen Bundesregierung faktenfreie Luftnummern.

Formulierter Widerstand aus Gladbeck

Mitten in der Auseinandersetzung um die unerwartete Renaissance der Autobahn veröffentlichte das damals gegen die A52 federführend aktive „Bürgerforum Gladbeck“ ein „Plädoyer“ für bessere Verkehrslösungen ohne Autobahn. Die darin auf gut 70 Seiten aufgelisteten Argumente belegen unverändert bis heute, dass die Autobahn verkehrspolitisch keinen Sinn machte, d.h., dass sie angesichts der massiven Eingriffe gegen Menschen, Umwelt und Stadtentwicklung nicht gebaut werden durfte. Ernst genommen haben die Gladbecker Lokalpolitiker die ihnen vorgelegten Begründungen nicht.

Sie begrüßen vielmehr auf der Basis die ihnen vorgelegten Lügenpapiere in der trügerischen Annahme, dass der Bund sich wie noch nie zuvor großzügig und rechtssicher für Gladbeck eingesetzt habe. Dabei hätte ein recht einfacher Faktencheck ihrer Rolle als Kontrolleur der Verwaltung samt Bürgermeister gut zu Gesicht gestanden. Der ausdrückliche Begrüßungsbeschluss des Gladbecker Rates ist heute von traurigem, historischem Wert. Das Bundesverwaltungsgericht bescheinigte der Stadt mit einem Urteil, das leider erst 2021 erfolgte, in letzter Instanz, dass das Vorgehen ihres Bürgermeisters beim Zustandekommen des Ratsbeschlusses rechtswidrig war.

Stopp des A 52-Baus: jetzt aber endgültig

Heute, fast 10 Jahre nach dem scheinbar erfolglosen Bürgerentscheid ist die Zeit reif für eine endgültige Beerdigung der längst aus der Zeit gefallenen Autobahnpläne. Die großen Rahmenbedingungen in Politik und Wirtschaft, aber auch im Bewusstsein der meisten Menschen, haben sich dramatisch verändert. Ein Stopp des Projekts ist heute und in Zukunft dringender denn je.

Heute liegen neben den schon 2013 beschriebenen Argumente neue Erkenntnisse vor, die den Bau einer viel befahrenen Fernstraße quer durch unsere Stadt definitiv verbieten: Feinstaub, CO2, Stickoxide, Lärm, Freiräume gegen gefährliche urbane Erwärmungen, Klimaschutz und Verkehrswende sind die beispielhaften Überschriften für ein zwingendes Aus. Keines dieser heute politisch für die Stadt und ihre Menschen maßgebenden Komplexe konnten in der Auseinandersetzung von vor 10 Jahren diskutiert werden, sie gehörten leider noch nicht zum Horizont der demokratischen und rechtlichen Diskurses, machen heute aber den schon damals sinnvollen Widerstand perfekt.

Fehlende Finanzmittel des Bundes

Die mittel- und langfristige, finanzielle Situation des Bundeshaushalts, der für den überdimensional teuren Bau der wenigen, hoch komplexen Autobahnkilometer durch Gladbeck geradestehen müsste, verbietet den bislang trotzig verfolgten Autobahnbau. Die Haushaltsmittel für die verkehrliche Infrastruktur sind angesichts der halben Billion Zusatzausgaben des Bundes für die Corona-Krise knapper denn je, im Verkehrsbereich müssen sie nach den Zielsetzungen der Ampel-Koalition zur Mitwirkung beim Klimaschutz vorrangig für den öffentlichen und nicht motorisierten Verkehr verwendet werden. Der bislang nicht eingeplante, leider aber notwendige Neubau von tausenden maroden Straßenbrücken dürfte auch die letzten Planungen für teure, nicht unbedingt notwendige Straßenprojekte zunichte machen. Die Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums gegen den Bau eines Autobahntunnels in Dortmund dürfte die Blaupause für eine bald auch in Gladbeck anstehende Stopp-Entscheidung sein.

Neue parteipolitische Konstellationen

In jüngster Zeit hat sich noch mehr geändert: In Berlin regiert nicht mehr die Union, die sich traditionell stark für den Autoverkehr und seine Infrastruktur einsetzt. In NRW steht im Mai 2022 die Landtagswahl an. Ob sie die Federführung der CDU bestätigt, die sich bislang an der Seite des Bundes für den Bau der A52 stark gemacht hat, ist offen und durch jeden Wähler mit seiner Stimme beeinflussbar. Die Grünen sind – wie DIE LINKE – auf allen Ebenen in Bund und Land gegen die A52, endlich angeblich auch die grüne Gladbecker Truppe. Die Parteien in Essen haben sich definitiv gegen die A52 auf ihrem Gebiet ausgesprochen.

Der neue Koalitionsvertrag

Nicht zuletzt dürften die in der Koalitionsvertrag der „Ampel“ festgelegten strategischen Ziele den Bau der A52 ins Reich der Träume von gestern befördern. Die explizit im 2021er Arbeitsprogramm der neuen Bundesregierung zur Straßenplanung getroffenen Festlegungen sind zwar eher wortkarg. Die Realitäten dürften durch die Sachzwänge zwischen Finanzen und Klimaschutz bestimmt werden.

Die wenigen Sätze, die der Vertrag der drei Parteien zur Infrastruktur enthält, bieten aber eine deutliche, neue Grundlage für einen engagierten Einsatz der betroffenen Menschen um eine bessere Lösung für die regionale Mobilität anstelle der A52. Wir zitieren von Seite 48:

„Wir streben einen neuen Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen an. Dazu werden wir parallel zur laufenden Bedarfsplanüberprüfung einen Dialogprozess mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden starten mit dem Ziel einer Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des geltenden Bundesverkehrswegeplan“.

Das ist, wenn man die Aussagen ernst nimmt, eine Steilvorlage für ein ausdrückliches Mandat aller bürgerschaftlichen Vereinigungen und lokalen Parteikonstellationen, dem Bund aktuelle und gute, auf der örtlichen Situation gegründete Argumente für eine Neupositionierung der Verkehrsplanung im nördlichen Ruhrgebiet zu liefern. Der Fernverkehr der Region gehört auf bestehende Autobahnen. Sie decken die Belange der Wirtschaft und Menschen in vollem Umfang ab. Die B 224 muss endlich zu einem lebenswerten, von den Blechlawinen internationaler Laster befreiten Raum des städtischen und regionalen Individualverkehrs und ÖPNV mit genügend Bewegungsfreiheit für Pkws, Busse, Radfahrer, Fußgänger und gleichberechtigte Querverkehre umgestaltet werden.

Foto und Kommentar von Ralf Michalowsky zur A52 durch Gladbeck
Ralf Michalowsky, Herausgeber der Neuen Gladbecker Zeitung.

Der Kommentar dazu:

Ich kann es nicht glauben, dass die Gladbecker die von den staatlichen Straßenbauern wortreich verlautbarten, aber wenig überzeugenden Veröffentlichungen anders als die Dortmunder einfach so hinnehmen. Es stimmt doch einfach nicht, dass mit dem Bau der A52 demnächst begonnen werden kann, weil es einen nennenswerten Widerstand nicht mehr gebe. Die Frage ist doch vielmehr, wie sich die Stimmen der vielen tausend Menschen neu formieren, die die A52 schon 2012 verbindlich abgelehnt haben. Für sinnvolle und menschengerechte Logistikkonzepte, gegen die Verschandelung der Stadt und die dauerhafte Minderung der Lebensqualität durch einen aus längst vergangener Zeit stammenden, nicht durchdachten Riesenbau und gegen das Konterkarieren aller großen politischen Zukunftsthemen ausgerechnet auf dem Rücken der Gladbecker.

Leider sieht es so aus, als wäre der vor einigen Jahren noch deutliche, sachlich fundierte Widerstand gegen das Projekt erlahmt. Die beschriebene, veränderte Situation sollte alle in Betracht kommenden Akteure ermutigen, sich neu zu formieren. Ein Zusammenschluss aller Initiativen aus Essen, Gladbeck und Bottrop wäre das richtige Instrument für die vom Bund gewünschte, fundierte Zuarbeit zu seiner Revision der bisherigen Planung. Ob das heutige Bürgerforum allerdings in der Lage ist, die Koordination der Beteiligten und zu organisieren und ihnen eine gemeinsame Stimme zu geben, ist dabei eine offene Frage.


Polizeibericht aus Gladbeck Mitteilungen der Stadt Gladbeck

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2 Kommentare

  1. Der Kampf gegen das A52 Monster ist weiterhin wichtig wenn unsere Stadt lebenswert bleiben (oder werden) soll. Jeder Baustein für mehr Ruhe und Natur in dieser kleinen Stadt ist wertvoll.
    Darum müssen wir nicht nur GEGEN etwas sein sondern noch viel entschiedener FÜR etwas. Für den Rückbau der B224 wäre es zum Beispiel sehr wichtig, endlich die lange geplanten schnellen Radwege nach Essen zu bauen und die U11 von Horst bis nach Zweckel zu verlängern. Dann gibt es Alternativen für die 20 000 täglichen Pendler nach Essen. Die Städte müssen endlich zusammenarbeiten statt alle nur ihre Partikularinteressen zu hegen und in Gladbeck oft nicht mal das…

  2. Eine wirklich lesenswerte Zusammenfassung der A52 Entwicklungen während der letzten Jahre. Der Autor wird nicht genannt, aber offensichtlich hat hier eine ehemalige Führungsperson des Bürgerforums noch immer den Überblick über die verkehrlichen Notwendigkeiten in Gladbeck.

    Als heutiger 1. Vorsitzender des Bürgerforums kann ich die angefügte Kritik des Kommentators an meinem gemeinnützigen Verein jedoch nicht unwidersprochen lassen.

    Das Bürgerforum e.V. wurde als gemeinnütziger Verein gegründet, nachdem die Bürger den Bau der A52 mit Tunnel im Ratsbürgerentscheid abgelehnt hatten. Die Akteure, die den Erfolg bei der Abstimmung herbei geführt hatten, sind praktisch alle dem Bürgerforum beigetreten und sind -soweit sie noch aktiv sein können- nach wie vor im Bürgerforum organisiert.
    Das heutige Bürgerforum ist weniger bei den plakativen Aktionen engagiert, die während der Jahre 2013 bis 2019 statt fanden, sondern arbeitet hochseriös im Hintergrund an Kontakten zu Ministerien, Aufsichtsgremien, Naturschutzverbänden etc. Dabei ist es mittlerweile auch gelungen, zu Vereinen und Verbänden sowie zur Stadtverwaltung, mit denen das Bürgerforum früher regelrecht verfeindet war, in Sachen A52 ein immer noch kritisches, aber sachliches Verhältnis aufzubauen, das ohne die früher üblichen persönlichen Anfeindungen auskommt. Dies erleichtert die Arbeit und wir sehen dies als großen Erfolg an. Das Alles erscheint dann zwar nicht so oft in den Medien, doch wir versprechen uns davon eine größere Wirksamkeit als von den vielen öffentlichen Aktionen der Vergangenheit, die ja schlussendlich allesamt nicht zu einer Einstellung der A52-Planungen geführt haben.
    Die im Artikel vom Autor aufgezeigten Perspektiven sind allerdings völlig richtig -und genau daran arbeiten wir.

    Franz Kruse
    (1. Vorsitzender des Bürgerforum Gladbeck e.V.)

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