Stadtplanung: Baurat alleingelassen

Gladbeck: SPD vermeidet Abstimmungsniederlage durch Zustimmung

Gladbeck: von der Stadtverwaltung vorgeschlagenes Sanierungsgebiet an der B224 / A52
Gladbeck: von der Stadtverwaltung vorgeschlagenes Sanierungsgebiet an der B224 / A52

Stadtplanung:

SPD vermeidet Abstimmungsniederlage durch Zustimmung

von Dr. Norbert Marißen

07.12.2020 – Gladbeck – Stadtplanung. Im Stadtplanungsausschuss am 3.12.2020 zeigte sich erstmals und ziemlich deutlich, dass die alten Machtverhältnisse im Rat gründlich ins Wanken geraten sind. Stadtbaurat Dr. Volker Kreuzer und Wolfgang Wedekind, Vorsitzender der SPD-Fraktion, scheiterten mit einem offensichtlich vorab vereinbarten Schnellschuss.

Die Stadtverwaltung, vertreten durch Dr. Kreuzer, wollte für ihre 2018 erarbeitete Vision, die sie „Zukunftsraum A52“ nennt, die Zustimmung des Rates zur Ausweisung eines Sanierungsgebietes auf und beidseitig der B224 einholen. Im ersten Schritt bräuchte sie dafür das ok für eine Voruntersuchung durch ein spezialisiertes Ingenieurbüro: geschätzte Kosten 120.000 Euro. Das ging fürs Erste voll daneben.

Hier stellt die Stadt Gladbeck die Stadtplanung zur Autobahn vor

Stadtplanung: Wenn es nach der Stadtverwaltung und der SPD ginge, sollen solche Straßenzüge, die in der Nähe der A52-Trasse liegen, saniert werden.
Stadtplanung: Wenn es nach der Stadtverwaltung und der SPD ginge, sollen solche Straßenzüge, die in der Nähe der A52-Trasse liegen, saniert werden. Dafür ist allerdings kein Bedarf erkennbar.

Die Ausweisung eines städtebaulichen Sanierungsgebietes gehört zu den umfangreichsten Instrumenten der Stadtplanung und Stadtentwicklung. Sie ist jedoch mit starken Eingriffen in die Eigentumsrechte der Einwohner/innen des Gebietes verbunden, hinzu kommt eine Auskunftspflicht gegenüber der Stadt. Deshalb ist dieses Instrument nur in Gebieten mit besonders intensiven Problemlagen anzuwenden. Zu den von der Stadtverwaltung vorgesehen Gebieten gehört u.a. auch die Stallhermstraße , in der allerdings „schwere städtebauliche Missstände“, wie – auch in anderen Straßen – nicht zu erkennen sind. Die vom Staubaurat Dr. Kreuzer mündlich vorgetragenen Argumente für seine Absicht, dort ein Sanierungsgebiet auszuweisen, konnten daher viele Ausschussmitglieder nicht überzeugen. Immerhin wären 120.000 Euro in den Sand gesetzt, wenn die Voruntersucheng ergäbe, dass die Voraussetzungen für ein Sanierungsgebiet nicht erfüllt sind.




DIE LINKE beantragte die Verschiebung der Abstimmung

Benedikt Jung von den LINKEN sah noch offene Fragen und Lücken und beantragte daher, die Abstimmung darüber auf die nächste Sitzung zu verschieben. Herr Wedekind als SPD-Sprecher begrüßte dagegen ausdrücklich den Verwaltungsvorschlag und machte deutlich, dass die SPD-Vertreter diesem so zustimmen werden. Nachdem Herr Dahmen für die CDU weiteren Informationsbedarf angemeldet hatte, rief der Ausschussvorsitzende zur Abstimmung des Antrages der LINKEN auf Verschiebung auf.

Hintergründe der Autobahnplanung durch Gladbeck

Alle Ausschussmitglieder gaben spontan ihr Handzeichen zur Zustimmung – bis auf die Ausschussmitglieder der SPD. Herr Wedekind hob erst dann die Hand (und danach die anderen SPD-Abgeordneten), nachdem er sich durch Umschauen vergewissert hatte , dass alle anderen für eine Verschiebung waren. Es war deutlich zu erkennen, dass die SPD-Fraktion dem Antrag zur Verschiebung nur zugestimmt hat, um eine Abstimmungsniederlage zu vermeiden.

Stadtplanung wird nicht mehr nur durch die SPD beschlossen

Fest steht insbesondere, dass Herr Dr. Kreuzer eine unerwartete Niederlage erlitten hat. Der Ausschuss hat ihm unmissverständlich klar gemacht, dass, anders als in der Vergangenheit, eine vor dem parlamentarischen Verfahren getroffene Hinterzimmer-Absprache mit der SPD-Fraktion nicht mehr zielführend ist. Damit liegen die Folgen der Kommunalwahl schon in der ersten Sitzung des Planungsausschusses deutlich auf der Hand.

In der nächsten Sitzung wird der Vorschlag der Verwaltung so oder verändert erneut zur Beratung anstehen. Grundsätzlich sollte dort über den Sinn der Vorlage und die Notwendigkeit einer kommunalen Begleitplanung zur A52 zum jetzigen Zeitpunkt ausgiebig und ergebnisoffen diskutiert werden.

Nebenbei gesagt: Leider erfährt der/die treue WAZ-Leser/in wenig von den Ereignissen. Der WAZ-Bericht liefert unter der irreführenden Überschrift „Stadt nimmt Zukunftsraum A 52 in den Fokus“ eine dicke Unwahrheit und einige Halbwahrheiten. Dem Redakteur muss man bescheinigen, einen sehr schlechten Job gemacht zu haben. Das haben die Abonnenten/innen, die viel Geld für ihre Zeitung bezahlen, nicht verdient.

Stadtplanung-Hintergrund: Bei der Vision „Zukunftsraum A52“ handelt es sich um ein fiktives, von Dortmunder Studierenden aus der Taufe gehobenes Projekt. Seine Umsetzung hängt allein von der Art und Weise ab, wie die A52 in Gladbeck gebaut wird. Nur bei einem Tunnelbau kann die mit der Vision beabsichtigte Gestaltung verwirklicht werden. Bis eine solche Entscheidung fällt, vergehen mindestens noch einige Jahre. Sollte es irgendwann tatsächlich eine Entscheidung für den Tunnel geben, bräuchte es mindestens weitere fünf Jahre bis zu seinem Baubeginn. Es ist ein Rätsel, warum die Verwaltung schon jetzt viele Arbeitsstunden städtischer Bediensteter und erhebliche Steuergelder für derart „ungelegte Eier“ aufwenden möchte. Dass hier ein weiterer sechsstelliger Betrag ausgegeben werden sollen, birgt ein gewaltiges Risiko. Wenn es anders kommt, wären enorme Summen fehlinvestiert. Der sinnvollere Weg besteht darin, die heutige Stadtentwicklung kontinuierlich voranzutreiben: nicht auf Träumereien gestützt, sondern mit allen knappen Ressourcen, auf dem Boden belastbarer Fakten.


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2 Kommentare

  1. Herr Sperl hat in seinem Glazette-Leserbrief sehr zutreffend dargestellt, dass die Autobahn die schlimmste Wunde wäre, die die Stadt im laufenden Jahrhundert zu erleiden hätte. In seinem Artikel fragt sich Herr Dr. Marißen und seine Leser, warum Stadtbaurat Herr Dr. Volker Kreuzer in gewohnter Genossen-Eintracht mit Wolfgang Wedekind, dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, eine Planung bezahlt haben möchte, für die es eigentlich keine Grundlage gibt und die eine nicht mehr gut zu machende A52-Misere für Gladbeck brächte. Die offene Frage ist schnell beantwortet.
    Den beiden Protagonisten für die Idee einer Sanierungsplanung zugunsten der A52 geht es nicht um das Wohl der Stadt und um die zukünftige Lebensqualität ihrer Bürger. Kreuzer und Wedekind sorgen mit ihrem Vorstoß für ihre eigene Karriere – auf dem Buckel der Gladbecker, koste es, was es wolle.
    Herr Dr. Kreuzer steht in der Tradition einer ganzen Reihe von Stadtbauräten, die ihren Job in Gladbeck nicht als Dauerstation, sondern als Sprungbrett für einträglicher Aufgaben betrachtet haben, um nach einigen Jahren in größeren Städten Karriere zu machen. Kreuzer lebt mit seiner Familie in Dortmund, dort hat er studiert, als Planer gearbeitet und zum Thema Stadtentwicklung promoviert. Wie seine Vorgänger nutzt er seine aktuellen Gladbecker Verantwortlichkeit als Warteschleife für einen besser dotierten Job in Dortmund. Dort geht der jetzige Beigeordnete für Umwelt, Planen und Wohnen in gut einem Jahr in Pension. Für seine bevorstehende Bewerbung braucht Kreuzer aktuelle Referenzen stadtplanerischer Projekte. Das ist schwierig, weil Gladbeck mangels jeglichen finanziellen Spielraums kaum Geld für aufwändige und sinnvolle Planungen hat. Deshalb verbohrt sich Herrn Kreuzer in die zusammen mit Dortmunder Studenten geborene Idee eines großräumigen Entwicklungsprojekts für eine zukünftige A52. Er weiß, dass das Vorhaben nicht spruchreif ist, weil sich der Bund als Bauherr der A52 noch längst nicht festgelegt hat. Auf die im Planungsausschuss gestellte Frage nach einer verbindlichen Entscheidung des Bundes für einen Gladbecker Autobahntunnel konnte der sonst so wortgewandte technische Beigeordnete nur noch beleidigt stammeln.
    Und Herr Wedekind? Er ist ein fast vergessener, in die Jahre gekommener Fraktionsreferent für Verkehrspolitik im Düsseldorfer Landtag. Die Abgeordneten im Verkehrsausschuss, denen er zuarbeiten soll, agieren parteiübergreifend gegen den NRW-Finanzminister, um für Straßen möglichst viel Geld von Forschung, Sozialem und Umwelt abzuzweigen. Und sie kämpfen gemeinsam gegen den stets bayrischen Bundesverkehrsminister, damit in Nordrhein-Westfalen und nicht nur Süddeutschland auch mal große, wenn auch irrationale Autobahn-Bruchstücke gebaut werden können. Wenn Herr Wedekind in der Stadt, in der er sich seit neuestem eine politische Führungsposition anmaßt, die Autobahn aufgrund der Faktenlage und im Interesse seiner lokalen Wähler bekämpfen würde, statt sie trotz fehlender Zuständigkeit der Stadt herbeizureden, wäre sein ohnehin fast gesunkener Stern in Düsseldorf am Verglimmen. Das und nicht das Wohl seiner Wähler ist sein starkes Motiv für seinen unglaublichen Vorstoß im Planungsausschuss. Das ist der Grund für seinen versuchten Schulterschluss mit seinem Karrierepartner Kreuzer.
    Die einstimmige Vertagung des Antrags im Planungsausschuss ist für beide Streitgenossen ein Schuss vor den Bug und wahrscheinlich das diplomatisch gut eingefädelte Ende ihres Vorhabens. Den Ausschussmitgliedern, vorweg Benedikt Jung von der Linken, sei Dank! Es passt ins Bild, dass die neue Bürgermeisterin vor Beginn der Sitzung drei für sie maßgebende Politikpakete für die begonnene Legislatur benannt hat. Die A52 gehörte trotz des auf die Tagesordnung gesetzten Herzenswunsches ihres leitenden Mitarbeiters und ihres Fraktionsvorsitzenden nicht dazu. So kann aus einem läppischen Vertagungsbeschluss ein über den Tag hinaus bedeutsames Zeichen werden.

  2. Folgende Anmerkungen, die ich an die WAZ gesandt habe, passen durchaus als Kommentar zu diesem Artikel:
    Betrifft Ihre Artikel in der WAZ vom letzten Wochenende: Planer nehmen “Zukunftsraum“ an der A52 in den Fokus und den heutigen, 08.12.2020, zum „kreisweiten Klimaschutz“

    Sehr geehrte Damen und Herren der Lokalredaktion Gladbeck,

    bereits beim erstgenannten Artikel juckte es mich am Wochenende in den Fingern, ein paar Zeilen dazu zuschreiben, der heutige zum „kreisweiten Klimaschutz“, zu dem ja ein Zusammenhang besteht, den sie aber nicht mit einer Silbe formulieren, schreit geradezu nach einer Stellungnahme.

    Es ist natürlich erst einmal gut, dass der städtische Planungsausschuss und damit auch die Stadtverwaltung mit Herrn Baurat Dr. Kreuzer sich Gedanken über den Planungsraum längs der zukünftigen A52 machen, Planungsansätze gab es ja bereits in der Vergangenheit. Denn es ist für wahr ein innerstädtischer Bereich, der nach Überplanung und mehr Ordnung schreit. Nur leider hängen die Planer und Politiker halt der Uraltklamotte, also der völlig aus der jetzigen Zeit fallenden Idee nach, Gladbeck mit einer dritten Autobahn – zudem mitten durch die Stadt – zu beglücken, wobei ein möglicher Tunnel, wenn er tatsächlich realisiert würde, zudem viel zu kurz, nach wie vor mit vielen Fragezeichen zu versehen ist! Das Gladbecker Bürgerforum hat diesbezüglich schon viele Anmerkungen, Ideen und Stellungsnahmen formuliert, so dass es müßig ist, diese nun zu wiederholen.

    Sehr wohl kann das in den Fokus genommene Gebiet m. e, zu einem positiven Zukunftsraum für Gladbeck werden, lässt man die bisherige Prämisse, die Autobahnplanung fallen und macht aus der B224 eine normale Stadtstraße.
    Die Umsetzung der Planung zur A52 bedeutet für unsere Stadt keinen positiven Zukunftsraum, sondern einen Alptraumraum und zwar bereits in der Phase der sich über Jahre hinziehenden Bautätigkeit. Bereits das zukünftige Autobahnkreuz bedeutet mit seinen Dimensionen sowohl für den Natur- und Freizeitraum Wittringen als auch für die Haldenlandschaft parallel zur jetzigen noch B224 eine Zerstörung. Schon heute ist die Dauerbeschallung durch die A2 im Wittringer Wald ein enormer Störfaktor und wie hoch der Eintrag an Feinstäuben und anderen Schadstoffe bereits heute ist, wird ja derzeit nicht einmal gemessen. Gott Lob schluckt die Belaubung im Frühjahr, Sommer und Herbst sicherlich einen Teil dieser Belastung. Die zukünftig deutlich höher liegende Autobahn bzw. dessen Kreuz, die Zu- und Auffahrten werden den Dreck, so wie auch den Lärm sicherlich et-was weiter und großflächiger verteilen, noch mehr Mitbürgerinnen und Mitbürger werden negativ davon profitieren. (Die Krebsstatistik zeigt für NRW und unsere Region z. B. eine hohe Lungenkrebszahl an).
    Die Autobahnplanungen sind ein Schritt in die Vergangenheit und ich wundere mich, dass ein so junger Mensch wie unser Baurat Dr. Kreuzer an Altkonzepten derart festklebt und er (und sein Team) sich nicht für neue und kreativerer Lösungen zu öffnen vermag oder besser noch selbst mal Alternativen entwirft. Wobei ich nicht das allseits beliebte St-Floriansprinzip meine und damit eine Verlagerung des Problems weg von Gladbecker auf Gelsenkirchener Gebiet. Es ist doch auch eine Zerstörung seiner Umwelt und die seiner Kinder, weniger die meiner eigenen, denn ich gehöre bereits der Generation älter 65 an, mache mir aber Sorgen für meine Kinder und Enkelkinder, wenn alles so weiterläuft wie bisher! – Die Klimakatastrophe ist ja schon da, sie kommt ja nicht erst. Wir müssen heute und nicht morgen gegensteuern, hätten es längst schon viel stärker tun müssen.
    Alles Denken und Planen auf Grund der falschen Prämisse wird daher für den angedachten Zukunftsraum fehlgehen. Wir benötigen nicht mehr Straßen in unserem jetzt schon zuasphaltierten Lebensraum, sondern weniger, aber dafür besser genutzte Straßen, besser gelenkten Verkehrsfluss und viel mehr alternative Verkehrsprojekte, eine tatsächliche Forcierung des Radwegeausbaus, Förderung der E-Bike-Mobilität und gravierende und nicht nur marginale Veränderungen im ÖPNV. Aber natürlich auch persönlichen Verzicht!
    Und hier kommt auch der kreisweit angestrebte Klimaschutz ins Spiel und eigentlich auch die Tatsache, dass in Gladbeck ja nach Ausrufung des Klimanotstandes alle Vorhaben unter den „Klimavorbehalt“ zu stellen sind. Nur scheinbar darf dafür die „Hl. Kuh“ A52 von Herrn Roland und des bisherigen SPD/CDU/FDP-Stadtrates nicht geschlachtet werden, obwohl dies zunehmend zwingender erscheint.
    Aber vielleicht täusche ich mich ja, vielleicht schafft es der verjüngte Stadtrat und unsere neue Bürgermeisterin diese Absolutsetzung und die Behauptung von „Alternativlosigkeit“ bzgl. des Autobahnbaus zu brechen und wirklich frisches Denken in dieser Frage zuzulassen, die rebellischen Bürger ins Boot zu holen und nicht als Spinner und „Nörgler/Meckerer“ zu beschimpfen. Es ist an der Zeit, dass der Stadtrat sich auch mit diesen nicht unerheblichen Teil der Stadtgesellschaft solidarisiert und für alle Schaden abwendet.
    In der Coronapandemie hat Lebens- und Gesundheitsschutz m. e. völlig zurecht – und das ist Gott Lob überwiegend gesellschaftlicher Konsens – erste Priorität und der Fokus darauf geht vor allem stark zu Lasten der Wirtschaft, von der wir alle abhängen, also zu Lasten vieler Betroffener. Beim geplanten Autobahnbau gibt die Wirtschaft (s. IHK) die Notwendigkeit des Baus vor, allerdings völlig ohne Rücksicht auf Klimaschutz und die engstens damit verbunden Gesundheits- und Lebens-schutzbelangen! Ist das nicht ein sehr großer Widerspruch?

    Mit freundlichen Grüßen
    Hermann Sperl

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