Die un-endliche Geschichte von Tempo 50 auf der B224

Die un-endliche Geschichte von Tempo 50 auf der B224
Die Verkehrsabläufe wurden bei dem neun Monate lang erprobten Tempo 50 nicht gestört wurden. Auch im Umfeld der B224 hat es 2018 keine Störungen wegen der Temporeduzierung gegeben.

Stadt Gladbeck beugt sich endlich dem Gerichtsentscheid

30.06.2021 – Gladbeck – Die un-endliche Geschichte – Ungläubiges Erstaunen verursachte eine Pressemitteilung der Stadt Gladbeck, deren Inhalt dank großer Email-Verteiler und zahlreicher Telefonate sofort im gesamten Stadtgebiet bekannt wurde. Ihr war zu entnehmen, dass die Stadt Gladbeck Tempo 50-Schilder an der B224 in Gladbeck aufhängt.

Über Jahre hatten AnwohnerInnen und viele Vereine auf zu viel Lärm wegen des ständig wachsenden Verkehrs und veralteter Lärmschutzwände um eine Temporeduzierung gebeten. Nachweislich reduziert Tempo 50 den Lärm und die Luftschadstoffe, es reduziert die Unfallzahlen und sorgt an der B224 für mehr Schulwegsicherheit. Die Stadt Gladbeck blieb untätig und stahl sich mit der Behauptung von der Bühne, dass sie nicht zuständig sei, sondern die Bezirksregierung. Diese wiederum verwies auf die Stadt zurück.




Anwohner nahmen juristische Hilfe in Anspruch

Um ihren Wunsch nach Lärmschutzmaßnahmen Nachdruck zu verleihen, holten sich einige Anwohner/innen 2017 juristische Hilfe und klagten wegen der zu hohen Lärmbelastung und forderten Maßnahmen seitens der Stadt. Das Bürgerforum, ein Gladbecker Verein, der sich die Verbesserung von Lebensbedingungen in Gladbeck zum Ziel gesetzt hat, organisierte die Klage, sammelte Spendengelder bei vielen betroffenen AnwohnernInnen und engagierten Bürgern und beglich damit die Verfahrenskosten in letztendlich fünfstelliger Höhe. Die Stadt zeigte sich zunächst weiter unbeeindruckt.

Wegen der Überlastung der Gerichte 2017 aufgrund der Flüchtlingskrise blieb die Klage erst einmal lange unbearbeitet und zur Entscheidung kam es erst 2020. Im Jahr 2018 trat ein Umstand ein, der die Sache endlich in Gang brachte. Die B224 musste saniert werden, dies machte während der Bauarbeiten eine Temporeduzierung auf 50 km/h erforderlich, und zwar für die Dauer von 9 Monaten.

Anwohner stellten selbst Lärmmessgeräte auf

Hier taten die Kläger einen wichtigen und richtigen Schritt. Sie stellten Lärmmessgeräte auf, so wie sie es 2017 bei Tempo 70 bereits getan hatten. Hier konnten sie erneut auf die fachliche Mithilfe des Bürgerforums Gladbeck rechnen, dass sein Ingenieurwissen anbot, um eine korrekte und gerichtlich verwertbare Lärmmessung durchzuführen. Der Vergleich der beiden Messungen ergab bei Tempo 50 eine 3 Dezibel niedrigere Lärmbelastung als bei Tempo 70. Damit einen Wert unter der zulässigen Höchstgrenze, die bei Tempo 70 tags wie nachts überschritten wurde. Das Ergebnis haben die Kläger 2019 dem Gericht mitgeteilt und damit kam plötzlich Bewegung in den Prozessverlauf.

Auf der Basis dieses Ergebnisses gab es Anfang September 2020 endlich einen Verhandlungstermin mit allen Beteiligten. Die Richter stellten dabei schon in der Verhandlung und in ihrem unmittelbar im Anschluss verkündeten Urteil fest, dass die Zuständigkeit für eine Geschwindigkeitsbegrenzung ohne Wenn und Aber allein bei der Stadt liegt und nicht, wie von ihr stets behauptet, bei der Bezirksregierung.

TÜV Nord bestätigte die Messergebnisse

Das Gericht konnte die Messergebnisse des Bürgerforums mit Messreihen des TÜV Nord vergleichen, der die Lärmreduzierung um 3 Dezibel auch bestätigte.

Den Richtern ging es jetzt maßgeblich um die Frage, ob die Verkehrsabläufe bei dem neun Monate lang erprobten Tempo 50 gestört wurden. Auf die richterliche Frage, ob es Störungen im Verkehrsfluss auf der B224 während der Baustellenphase mit Tempo 50 gegeben habe, antworteten die Vertreter der Stadt Gladbeck ziemlich kleinlaut, dass keinerlei Störungen bekannt geworden seien. Auch im Umfeld der B224 habe es 2018 keine Störungen wegen der Temporeduzierung gegeben.

Gericht verlangte von der Stadt lärmmindernde Maßnahmen

Das reichte dem Gericht, es gab den Klagenden recht, erklärte das bisherige Verhalten der Stadt für rechtswidrig und verurteilte die Stadt dazu, Lärm mindernde Maßnahmen einzuleiten, wofür sich aus Sicht des Gerichts besonders eine Temporeduzierung eignen würde.

Als nach Bekanntwerden des Urteils die neu gewählte Bürgermeisterin Weist (offenbar vorschnell) die Umsetzung von Tempo 50 für das Wohngebiet der Klagenden bis zum Jahresende ankündigte und darüber hinaus eine Prüfung von Tempo 50 auf dem gesamten Gladbecker Abschnitt der B224 in Erwägung zog, glaubten sich die Klagenden am Ziel. Doch sie hatten ihre Rechnung ohne den Stadtbaurat gemacht, der sich noch längst nicht geschlagen geben wollte.

Baurat mit Tricks aus der Klamottenkiste

Ende Dezember 2020 war es genau so laut wie im Dezember 2019, denn noch immer galt als Höchstgeschwindigkeit Tempo 70. Die Linke bohrte aus dem politischen Raum nach und erfuhr im Januar, dass die Stadt gerade Gutachten einhole und dabei sei, sich mit der Bezirksregierung abzustimmen, beides könne aber noch viele Monate dauern. Mit diesem Trick aus seiner Klamottenkiste glaubte der Stadtbaurat, sich um die Umsetzung des Urteils herumdrücken zu können. Die Gutachten sollen klären, ob es durch Tempo 50 zu Verkehrsstörungen kommen könne, eine Frage, die durch das Gericht längst beantwortet war, ebenso wie der Umstand, dass es einer Abstimmung mit der Bezirksregierung laut Urteil nicht bedarf.

Mit diesem äußert fragwürdigem Verhalten des Stadtbaurates bleiben die Klagenden weiter dem gesetzeswidrigen und gesundheitsschädlichen Lärm ausgesetzt, obwohl sie den Prozess gewonnen haben.

Außerdem nimmt die Demokratie Schaden, weil die Gewaltenteilung untergraben wird, indem die zur Ausführung verpflichtete Behörde Anordnungen des Gerichts schlicht missachtet. Die Angelegenheit befindet sich auf einem guten Weg, zum Skandal zu werden.

Anwalt der Kläger musste erst Zwangsgeld androhen

Anfang 2021 gab der Anwalt der Klagenden der Stadt eine Frist zur Umsetzung des Urteils und drohte mit Zwangsgeld, und die Linke forderte im Planungsausschuss eine Erklärung des Stadtbaurates. Ohne Erfolg. Am 23.6. trafen sich die Bürgermeisterin und das Bürgerforum zu einem Meinungsaustausch. Hier wies das Bürgerforum darauf hin, dass es die Klagenden erneut finanziell unterstützen wird, um weiter auf juristischem Weg eine Umsetzung zu erzwingen. Am 24.6. lehnte der Stadtbaurat in einer Sitzung des Planungsausschusses den Antrag der Linken, Tempo 50 sofort anzuordnen, mit dem Hinweis auf ausstehende Gutachten und andauernde Verhandlungen mit der Bezirksregierung ab. Dem Planungsausschuss, der ihn kontrollieren soll und dem er zur Auskunft verpflichtet ist, teilte er nicht mit, dass bereits entschieden war, dass eine Tempo 50-Regelung umgesetzt wird. Die Lokalpolitiker erfuhren davon erst am nächsten Tag (25.6.) durch die oben angesprochene städtische Pressemitteilung. Lassen Lokalpolitiker so mit sich umspringen?

Laut Pressemitteilung kommt Tempo 50 allerdings nur im Bereich der Brokamp-Siedlung, gilt nur nachts und die Stadt kann sie nach zwei Jahren wieder einkassieren.

Natürlich werden sich die Klagenden, das Bürgerforum und die Linken damit nicht zufrieden geben können, weil laut Urteil mehr von Nöten ist. Der Stadtbaurat wird zunehmend zu einer Belastung für die Bürgermeisterin, die die alten Baustellen ihres Vorgängers endlich befriedet haben möchte.

Und die SPD? Die alte Kümmerer-Partei aus den 80er und 90er Jahren kümmert sich nicht mehr. Lärmbelastung, Luftschadstoffe, Unfallgefährdung, Schulwegsicherung: Nirgends ist ein Interesse zu erkennen. Schade, SPD.

Zur Pressemitteilung der Stadt mit der Tempo-50-Ankündigung

Die Neue Gladbecker Zeitung berichtete schon gestern hier


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