Kitas: Personalengpässe sind vorprogrammiert

Personalengpässe in Kitas sind vorprogrammiert
Markus Wallmeier, Bereichsleiter Kinder und Familie, ist verantwortlich für 82 AWO Kindergärten. Er kennt die Situation personelle Situation in den Einrichtungen und damit auch die Sorgen und Nöten der Eltern. Foto: AWO

Interview mit Markus Wallmeier, Bereichsleiter Kinder und Familie, bei der AWO

Gladbeck – 02.08.2025 – Kitas – Am 1. August beginnt das neue Kita-Jahr und mithin die Sorge vieler Eltern vor der nächsten Notbetreuung. Und immer wieder stellt sich die Frage: „Warum bekommen die es einfach nicht besser hin? Dann müssen die eben mehr ErzieherInnen einstellen!“

Ganz so einfach ist es leider nicht. Warum? Das erklärt Markus Wallmeier, Bereichsleiter Kinder und Familien im AWO Unterbezirk Münsterland-Recklinghausen, der 82 Kindergärten in Trägerschaft betreibt.

Zum Ende eines jeden Kita-Jahres häufen sich die Beschwerden von Eltern zu Notbetreuungen in Kitas. Ist das eine gefühlte Wahrheit oder Tatsache?

Das ist in der Tat eine gefühlte Wahrheit. Die Hochzeiten befinden sich eher in den kälteren Monaten, in denen Erkältungen und Grippeviren Einzug in den Kitas erhalten. Aber: Natürlich erkranken Menschen auch außerhalb dieser Zeiten. Wenn dann noch lange geplante Urlaube dazukommen, wird es personaltechnisch natürlich eng.


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Warum werden nicht einfach pro Kita eine oder zwei Fachkräfte mehr eingestellt?

In fast jeder Kita haben wir mehr Personal, als gesetzlich vorgegeben. Allerdings ist dieses „Mehr“ an Personal begrenzt, da die gesetzlich zur Verfügung gestellten geldlichen Mittel ein „mehr“ nicht zulassen. In der Realität orientieren sich Erzieherinnen beruflich um oder werden schwanger. Wenn dann eine Kollegin krank wird und bei einer anderen der Urlaub bereits gebucht, ist eine zusätzliche Erzieherin einfach nicht ausreichend.

Aber Krankheitsausfälle, Urlaub oder Fortbildungen in Kitas sind doch Alltag – da wäre zusätzliches Personal doch naheliegend.

Naheliegend ja, in der Praxis aber kaum umsetzbar. Fachkräfte wollen – zu Recht – angemessen bezahlt werden. Und die NRW-Landesregierung stellt dafür nicht ausreichend Geld zur Verfügung. Da wir aber nicht mehr Geld ausgeben können, als wir bekommen, sind Personalengpässe vorprogrammiert. Das ist vom Gesetzgeber offenbar mit eingeplant. Anders lässt es sich auch nicht erklären, warum aktuell die Gelder für die Kita-Helferinnen ohne Vorankündigungen gekürzt und das Antragsverfahren dazu wieder komplizierter gestaltet wurde.

Wie genau funktioniert die Finanzierung der Kitas?

Grundlage ist das Kinderbildungsgesetz (KiBiz), das seit 2008 die Finanzierung regelt. Jede Kita erhält von der Kommune eine Pauschale pro Kind, abhängig vom Alter und der Betreuungszeit. Diese Pauschale setzt sich aus Landes- und kommunalen Mitteln zusammen. Aus diesen Pauschalen sind sämtliche Kosten, also für Personal, Spielmaterialien, Strom und Miete aber auch Möbel und Reparaturen zu finanzieren. Viele Einsparpotenziale gibt es dabei also nicht. Zudem schreibt das Kibiz vor, wie viele Mitarbeiter mit welcher Qualifikation und mit wie vielen Arbeitsstunden pro Gruppe erforderlich sind. Möchte wir als AWO mehr Personal einsetzen – etwa als Ausfallpuffer – müssen wir das aus eigener Tasche finanzieren.

Warum können Träger diesen Eigenanteil nicht einfach selbst stemmen?

Weil Kitas keinen Gewinn erwirtschaften. Der Träger muss seinen Anteil durch Rücklagen, die gesetzlich gedeckelt sind, ausgleichen – und nach den letzten beiden Tarifsteigerungen sind unsere Rücklagen aufgezerrt.

Aber die gesetzlichen Pauschalen werden doch regelmäßig angepasst.

Das ist richtig. Bezogen auf die realen Steigerungen allerdings mit einer Verzögerung von bis zu einem Jahr. Das bedeutet, dass wir diesen Zeitraum immer aus Eigenmitteln ausgleichen müssen.

Seit vielen Jahren hören wir, dass es überall zu wenig Kitaplätze gibt. Nun heißt es plötzlich, es gäbe freie Plätze. Wie passt das zusammen?

Tatsächlich ist der Bedarf für das neue Kita-Jahr laut Landesregierung um etwa 5.000 Plätze gesunken. Die Geburtenzahlen gehen zurück. Hinzu kommt, dass immer mehr Eltern ihre Kinder erst später, mit vier oder fünf Jahren, oder gar nicht mehr in einer Kita anmelden. Hier gibt es große regionale Unterschiede. Weil die Finanzierung über eine Pro-Kopf-Pauschale erfolgt, bedeuten unbesetzte Plätze für die Kita finanzielle Einbußen: Die Fixkosten wie Miete, Reinigung, Gartenpflege oder Instandhaltung bleiben immer gleich. Und unser Personal wollen und können wir nicht einfach kündigen.

Was passiert, wenn eine Kita dauerhaft Plätze nicht besetzen kann?

Dann erhält sie weniger Mittel – und muss im schlimmsten Fall Personal reduzieren. Denn der Betreuungsschlüssel ist gesetzlich festgelegt und wird über die belegten Plätze finanziert.

Wie begegnen Sie dem drohenden Personalmangel?

Dabei muss man unterscheiden: Fehlen grundsätzlich Fachkräfte oder handelt es sich um kurzfristige Personalausfälle? Um flexibler auf Letzteres reagieren zu können, bauen wir für das neue Kitajahr einen Springer-Pool auf. Dieser soll Engpässe in Kitas auffangen. Das ist allerdings mit einem großen Organisationsaufwand und zusätzlichen Kosten verbunden. So muss für die MitarbeiterInnen ein Dienstfahrzeug-Pool bereitgestellt werden, damit sie flexibel zum Einsatzort kommen. Diese Fahrzeuge müssen, Sie ahnen es bereits, wiederum über eigene Mittel finanziert werden. Um dem generellen Fachkraftmangel entgegenzuwirken, haben wir jedes Jahr flächendeckend fast 70 ErzieherInnen und KinderpflegerInnen ausgebildet. Aufgrund der mangelnden Finanzierung ist das jedoch zukünftig nicht mehr möglich.

Was muss sich ändern, damit es den Kitas besser geht?

Die AWO und andere freie Träger stellen über 75 Prozent der Kita-Plätze in NRW – wir tragen damit den Löwenanteil zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Bildung. Gerade beim Ausbau von Plätzen zur Betreuung von unter Dreijährigen haben wir große Verantwortung übernommen. Trotzdem müssen Kitaträger eigene Mittel aufbringen, um diese öffentliche Aufgabe zu erfüllen – das ist weder nachvollziehbar noch dauerhaft realistisch zu bewältigen. Wir fordern deshalb eine direkte Koppelung der Pauschalen an Tarifabschlüsse sowie eine verlässliche Refinanzierung auf Basis realer Kosten für Personal, Spielmaterialien, Miete und Energie. Einmalzahlungen oder befristete Programme helfen uns nicht weiter. Wir brauchen eine stabile und faire Finanzierung, um langfristig gute Bildung und Betreuung sicherzustellen.

Herr Wallmeier, wir bedanken uns für das Gespräch.

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