Gesundheitsamt des Kreises Recklinghausen informiert über Hintergründe
Gladbeck – 02.12.2024 – Polioviren – In Abwasserproben aus vier Städten in Deutschland wurden Polioviren nachgewiesen. Zwei davon, Köln und Bonn, liegen in NRW. Wie es dazu kommt und was das für die Bevölkerung bedeutet, erklärt das Gesundheitsamt des Kreises Recklinghausen.
Warum wurde das Abwasser untersucht?
Das Polio-Virus wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes des Robert-Koch-Institutes nachgewiesen, bei dem das Abwasser von mehreren großen Städten auf bestimmte Krankheitserreger untersucht wird. Dieses sogenannte „Monitoring“ soll als Frühwarnsystem dienen, um zukünftig schon früh einen Eindruck über Veränderungen aktueller Krankheitserreger in der Bevölkerung zu erhalten. Einer der Krankheitserreger, auf den das Abwasser untersucht wird, ist das Poliovirus.
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Welches Virus wurde genau nachgewiesen?
Bei dem nachgewiesenen Virus handelt es sich um eine bestimmte Form von Polioviren, den Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren Typ 2 (VDPV2).
Polioviren sind Auslöser der Poliomyelitis, der sogenannten „Kinderlähmung“. Die Viren werden vor allem über Schmierinfektionen (Stuhl-Hand-Mund) übertragen und betreffen insbesondere Kinder unter 5 Jahren. Rund 95 Prozent der Infizierten merken nichts davon. Bei jedem hundertsten bis tausendsten Infizierten kommt es zu bleibenden Lähmungen der Arm- oder Beinmuskulatur, schlimmstenfalls auch der Sprech-, Schluck- oder Atemmuskulatur.
Wie konnten sich diese Schluckimpfstoff-abgeleiteten Polioviren entwickeln?
In manchen Gegenden der Welt wurde bis vor Kurzem oder wird bis heute der orale Lebendimpfsoff (OPV-Impfstoff) gegen Polio eingesetzt. Dies hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Polio in den meisten Regionen der Welt heutzutage ausgerottet ist. Allerdings werden bei einer OPV-Impfung abgeschwächte Impfviren mit dem Stuhl ausgeschieden und können durch Schmierinfektion auf andere Personen übertragen werden.
Wenn die Bevölkerung aufgrund zu niedriger Polio-Impfquoten nicht ausreichend geschützt ist, können diese Impfviren über einen längeren Zeitraum zirkulieren und sich in sehr seltenen Fällen dabei genetisch verändern und wieder Erkrankungen hervorrufen.
In Deutschland wird diese Schluckimpfung seit 1998 nicht mehr eingesetzt.
Was bedeutet der Nachweis für die Bevölkerung?
Das Risiko, sich mit Polio zu infizieren, ist trotz des Nachweises im Abwasser auch weiterhin äußerst gering. Der letzte Polio-Fall in Deutschland wurde im Jahr 1990 registriert. Aktuell sind keine Polio-Erkrankungen oder Polioverdachtsfälle im ganzen Bundesgebiet bekannt.
Wie kann ich mich und meine Familie schützen?
Der beste Schutz gegen Kinderlähmung ist die Impfung. Das Risiko an Kinderlähmung zu erkranken, ist ohne vollständigen Impfschutz um ein Vielfaches höher. Wie eine vollständige Polio-Impfung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene aussieht, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) auf ihrer Website.
Die meisten Menschen in NRW sind vollständig geimpft und damit bestmöglich gegen die Erkrankung an Polio geschützt. So lag die Durchimpfungsrate bei der Schuleingangsuntersuchung im Jahr 2023 bei 96,1 Prozent. Um ganz sicher zu gehen, empfiehlt das Gesundheitsamt allen, den eigenen Impfstatus und den der Kinder anhand des Impfpasses zu kontrollieren. Bestehen dazu Fragen, ist der Hausarzt der richtige Ansprechpartner.
Wie bei vielen Virusinfektionen, schützt die Einhaltung der normalen Alltagshygiene bereits vor Ansteckung. Regelmäßiges Händewaschen und das sichere Verarbeiten von Lebensmitteln können beispielsweise einer Vielzahl an Erkrankungen abwehren.
Fazit
„Das Forschungsprojekt zur Etablierung eines Frühwarnsystems für mögliche Infektionserkrankungen innerhalb der Bevölkerung hat erfolgreich frühzeitig das Vorhandensein bestimmter Erreger nachgewiesen“, erklärt Marina Lorsch, Leiterin des Ressorts Infektionsschutz beim Kreis Recklinghausen. „Ein Grund zur Sorge besteht jedoch nicht, da es eine Impfung gibt, die sehr gut gegen die Erkrankung schützt. Durch eine Überprüfung des eigenen Impfschutzes können Sie sich und Ihre Familie gut vorbereiten, sollte es dennoch in Zukunft zu vereinzelten Infektionen mit dem nachgewiesenen Virus kommen“, fasst Lorsch zusammen.
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