Asbest-Charta der IG Bau – Asbest-Sanierungen gefordert

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Asbest-Charta der IG Bau - Asbest-Sanierungen gefordert
So läuft Asbest-Sanierung: Overall, Atemschutzmaske, Handschuhe und dazu noch eine Schutzbrille. „KomplettSchutz ist ein Muss“, sagt die Bau-Gewerkschaft. Foto: IG BAU | Alireza Khalili

IG BAU legt „Asbest-Charta“ vor und verlangt Förderprogramm „Asbest-Sanierung“

Warnung vor „Asbest-Welle“: 76.100 Wohnhäuser im Kreis Recklinghausen sind „Asbest-Fallen“ bei Sanierung

Gewerkschaft will Info-Kampagne zur Asbest-Gefahr für Bauarbeiter und Heimwerker

13.11.2023 – Asbest-Charta – Tonnen von Baumaterial mit Asbest stecken im Kreis Recklinghausen in Altbauten. „Von 1950 bis 1989 kamen AsbestBaustoffe intensiv zum Einsatz. Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in dieser Zeit gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt. Mal mehr, mal weniger“, sagt Georg Nießing von der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Er spricht von „Asbest-Fallen“ und nennt Zahlen: „In den vier ‚Asbest-Jahrzehnten‘ wurden im Kreis Recklinghausen rund 76.100 Wohnhäuser mit 193.700 Wohnungen neu gebaut. Das sind immerhin 55 Prozent aller Wohngebäude, die es heute im Kreis gibt. Dazu kommen noch Gewerbegebäude, Garagen, Ställe und Scheunen in der Landwirtschaft.“ Der Bezirksvorsitzende der IG BAU Emscher-Lippe-Aa verweist dabei auf die „Situationsanalyse Asbest“, die die Bau-Gewerkschaft beim Pestel-Institut (Hannover) in Auftrag gegeben hat.

 Georg Nießing - IG Bau
IG Bau-Chef Georg Nießing

„Asbest ist eine unsichtbare Gefahr. Alles fängt mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern an. Bauarbeiter und Heimwerker haben kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen“, warnt Georg Nießing von der IG BAU Emscher-Lippe-Aa. Porträt: IG BAU | Alexander Göbel

Erst bei Sanierungsarbeiten wird Asbest gefährlich

„Asbest ist ein krebserregender Stoff. Wer in einem asbestbelasteten Haus wohnt, muss sich trotzdem erst einmal keine Sorgen machen. Erst bei Sanierungsarbeiten wird es kritisch. Dann kann Asbest freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden“, sagt Georg Nießing. Er warnt vor einer „unsichtbaren Gefahr“, wenn Altbauten zu Baustellen werden: „Alles fängt mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern an. Bauarbeiter und Heimwerker haben kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen.“ Bis zu 30 Jahre dauere es, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs. Zum Komplett-Schutz bei einer Sanierung mit Asbest-Gefahr gehöre daher immer mindestens eine FFP3-Atemschutzmaske. Ebenso ein Muss: Overall, Schutzbrille und Handschuhe.


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„Altbauten im Kreis Recklinghausen sind ein tonnenschweres Asbest-Lager. Die krebserregende Mineralfaser steckt in
vielen Baustoffen. Die ‚Asbest-Fallen‘ lauern überall: Asbest ist oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und
Fliesenklebern. Vor allem aber im Asbest-Zement. Daraus wurden vorwiegend Rohre, Fassadenverkleidungen und
Dacheindeckungen gemacht. Eternit war typisch für den Westen, Baufanit für den Osten“, sagt Georg Nießing. Ein
großes Problem sei Spritz-Asbest: „Hier sind die Asbestfasern schwächer gebunden. Sie können deshalb leichter
freigesetzt werden. Vor allem Aufzugsschächte sowie Schächte mit Versorgungs- und Entsorgungsleitungen wurden
früher intensiv mit Spritzasbest verkleidet“, erklärt Nießing.

Asbest-Charta spricht zwei Sanierungsjahrzehnte an

Die IG BAU Emscher-Lippe-Aa spricht von einer neuen „Asbest-Gefahr“: „Wir stehen am Anfang von zwei
Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen. Um die Klimaschutzziele
zu erreichen, wird auch im Kreis Recklinghausen in den nächsten Jahren ein Großteil der Altbauten ‚angefasst‘.“ Dabei
bleibe es in den meisten Fällen nicht bei einer reinen Energiespar-Sanierung: „Wohnhäuser werden modernisiert,
senioren- und familiengerecht umgebaut. Es wird angebaut und aufgestockt, um mehr Wohnraum zu bekommen“, so
Nießing.

Mit der Sanierungswelle drohe deshalb jetzt auch eine ‚Asbest-Welle‘ auf dem Bau. „Sie ist eine Gefahr – für Bauarbeiter genauso wie für Heimwerker“, sagt der Bezirksvorsitzende der Bau-Gewerkschaft. Aber IG BAU und Pestel-Institut geben auch Entwarnung. Für die Menschen, die in Wohngebäuden leben, die mit asbesthaltigen Baustoffen gebaut wurden, haben sie eine klare Botschaft: „Eine unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit gibt es nicht.“ Bei einer Sanierung im bewohnten Zustand sei es allerdings wichtig, mit „allergrößter Sorgfalt professionell vorzugehen“, mahnen Georg Nießing und der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther.

IG Bau warnt vor der „Asbest-Welle“

Die IG BAU will der drohenden „Asbest-Welle“ auf dem Bau jetzt mit einem Maßnahmenpaket entgegentreten. Die Bau-Gewerkschaft hat dazu eine bundesweite „Asbest-Charta“ mit zentralen Forderungen für mehr Schutz vor Asbest vorgelegt. Der 5-Punkte-Katalog kann bei der IG BAU Emscher-Lippe-Aa angefordert werden: gelsenkirchen@igbau.de.

„Es geht dabei um bessere Informationen über Asbest-Gefahren bei Gebäuden, um die Förderung von Asbest-Sanierungen und vor allem auch um konsequenten Arbeitsschutz. Denn der bevorstehende Sanierungsboom darf nicht zu einer Krankheitswelle führen“, warnt Georg Nießing.

Der Gewerkschafter fordert einen Schadstoff-Gebäudepass mit unterschiedlichen Gefahrenstufen für die jeweilige
Asbest-Belastung eines Gebäudes. „Jeder Bauarbeiter und jeder Heimwerker muss wissen, auf was er sich einlässt,
wenn er Fliesen abschlägt, Wände einreißt oder Fassaden saniert“, so Georg Nießing.

KfW-Förderprogramm „Asbest-Sanierung“ gefordert

Er plädiert außerdem für eine staatliche Sanierungsprämie. Dazu müsse der Bund ein KfW-Förderprogramm „Asbest-Sanierung“ schaffen. „Das hilft, Kosten abzufedern, die bei einer – beispielsweise energetischen oder altersgerechten – Gebäudesanierung in asbestbelasteten Wohnhäusern zusätzlich entstehen. Außerdem ließe sich damit auch eine ordnungsgemäße Entsorgung von alten Asbest-Baustoffen sicherstellen“, so der Vorsitzende der IG BAU Emscher-LippeAa.

Die Gewerkschaft fordert deshalb eine intensive Asbest-Aufklärung: „Bauarbeiter und Heimwerker müssen wissen, wie der optimale Schutz vor Asbest aussieht. Und das muss den Menschen in der Sprache gesagt werden, die sie verstehen – den ausländischen Beschäftigten also auch in ihrer Muttersprache“, so Georg Nießing. Er fordert deshalb eine Informationskampagne des Bundes und der Länder. Die heimischen Bundestagsabgeordneten seien jetzt am Zug, den drohenden Gefahren einer „Asbest-Welle“ rechtzeitig mit einem effektiven Maßnahmenpaket entgegenzutreten.

Die Dimension und damit auch die Gefahr, die vom Asbest ausgehe, sei gewaltig. Insgesamt hat nach Angaben des Pestel-Instituts von 1950 bis 1990 Deutschland rund 4,35 Millionen Tonnen Asbest (Ost- und Westdeutschland) importiert. Daraus seien rund 3.500 Produkte hergestellt worden – die meisten davon für den Baubereich: Knapp 44 Millionen Tonnen asbestbelastetes Baumaterial stecken bundesweit im Gebäudebestand. In den vergangenen zehn Jahren sind nach Angaben der IG BAU 3.376 Versicherte der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) an den Folgen einer asbestbedingten Berufserkrankung gestorben – darunter allein 320 Baubeschäftigte im vergangenen Jahr.

IG Bau


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