Den ehemaligen Chef-Chemiker von Emschergenossenschaft und Lippeverband haben die Nationalsozialisten ermordet
20.10.2022 – Stolperstein – Gleich 19 Stolpersteine verlegte der Historische Verein Essen am Donnerstag (20.10.) als Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus – einen davon vor der Hauptverwaltung von Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) an der Kronprinzenstraße im Südviertel. Dieser Stolperstein erinnert an Dr. Hermann Bach. Den ehemaligen Chef-Chemiker der Wasserverbände ist 1944 in Berlin in Gestapo-Haft zu Tode gekommen.
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Oberbürgermeister empfing die Angehörigen aus den USA
Die Verlegung des Stolpersteins fand in Anwesenheit von Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, Dr. Dorothea Voss (Vorständin für Personal und Nachhaltigkeit bei EGLV) und Dr. Frank Obenaus (Geschäftsbereichsleiter Betrieb und designierter Technischer Vorstand von EGLV) statt. Bachs mittlerweile in den USA lebenden Angehörigen verfolgten die Verlegung des Stolpersteins per Video-Übertragung.
Entlassung, weil die Eltern jüdisch waren
“Zu den wichtigsten Lebensbedingungen für Mensch, Tier und Pflanze zählt die Gegenwart von Wasser. Ohne Wasser kein Leben. Dürre, Trockenheit, bedeutet Verfall und Tod.” Diese Worte schrieb der Oberchemiker Dr. Hermann Bach bereits 1934 in seinem Lehrbuch “Die Abwasserreinigung”. Bach leitete ab 1919 die Chemische Abteilung von EGLV, schrieb zahlreiche Publikationen zu Themen der Abwasserreinigung und ließ immerhin 15 Verfahren für seinen Dienstherren patentieren. Doch das alles sollte ihm in der Zeit des Nationalsozialismus nicht helfen. 1935 wurde er in den vorzeitigen Ruhestand entlassen – der banale Grund: Seine Eltern waren jüdisch.
Bach wurde in Berlin von der Gestapo ermordet
Bach flüchtete später nach Berlin. Dort hat man ihn 1944 in Gestapo-Haft ermordet. EGLV arbeiteten vor einigen Jahren ihre Geschichte während der NS-Zeit auf, die Recherchen Bochumer Historiker*innen sowie der Essener Journalistin Martina Gorlas deckten das Schicksal von Dr. Hermann Bach auf. Im Sommer empfingen die Wasserverbände Bachs in den USA lebenden Angehörigen, die einer Einladung von EGLV gefolgt waren. Im Rathaus hat Oberbürgermeister Thomas Kufen sie begrüßt. Der Verlegung des Stolpersteins wohnten die Angehörigen in den USA am Donnerstag per Video-Übertragung bei.
“Die Familie Bach war ein bedeutender Teil unserer Stadt”, sagt Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen. “Der nun gelegte Stolperstein wird uns stets beim Vorbeigehen vor Augen führen: Hier – mitten unter uns – vermissen wir Menschen, die ein wertvoller Teil der DNA unserer Stadt waren. Das gilt auch für Dr. Hermann Bach und seine Familie.”
“Es ist uns ein besonderes Anliegen, das Geschichtsbewusstsein zu stärken”, sagt Michael Imberg, Vorsitzender des Historischen Vereins Essen, “gerade die unaufdringliche Form der Stolpersteine, die dazu anregen, dem Schicksal der dort verzeichneten Personen in Eigenregie nachzuspüren, ist Ausdruck einer lebendigen Erinnerungskultur.”
Stolperstein dient der Erinnerung
“Der Stolperstein für Dr. Hermann Bach dient der Erinnerung an einen überaus kompetenten und engagierten Mitarbeiter unserer Verbände, der von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurde. Stolpersteine sind mahnende Zeichen in unserem Alltag, sich Ausgrenzung und Anfeindung jeden Tag entgegen zu stellen und die Demokratie gerade in unruhigen Zeiten zu stärken”, sagt Dr. Dorothea Voss, Vorständin für Personal und Nachhaltigkeit bei EGLV.
“Mit der Erinnerung an die Vergangenheit werden wir unserer historischen Verantwortung für all unsere Beschäftigten gerecht, die während der Zeit des Nationalsozialismus von der damaligen NS-treuen Geschäftsführung von Emschergenossenschaft und Lippeverband dem NS-Regime ausgeliefert wurden”, sagt Dr. Frank Obenaus, aktuell Leiter des Geschäftsbereichs Betrieb bei EGLV und ab dem 1. Dezember der neue Technische Vorstand der Verbände.
Der Verantwortung gerecht werden war auch das Anliegen von Prof. Dr. Uli Paetzel, der 2016 als damals frisch angetretener Vorstandsvorsitzender von EGLV die Aufarbeitung der Rolle der Verbände in der Zeit des Nationalsozialismus in Auftrag gab. Die Forschungen übernahmen Historiker*innen der Ruhr-Universität Bochum (RUB), die Ergebnisse wurden 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Jahr später erschienen sie als Buch: “Fließende Grenzen – Abwasserpolitik zwischen Demokratie und Diktatur” (180 Seiten, Klartext Verlag, ISBN: 978-3-8375-2183-2).
Auch Emschergenossenschaft und Lippeverband haben Zwangsarbeiter beschäftigt
“Kurzgefasst ist die zentrale Erkenntnis die folgende: Auch Emschergenossenschaft und Lippeverband haben “mitgemacht” und NS-konform gehandelt. So haben die Unternehmen auf den Baustellen der Verbände Zwangsarbeiter beschäftigt. Zudem haben die Nachforschungen gezeigt, dass auch in unserem Hause Kolleginnen und Kollegen von rassistischen und politischen “Säuberungsprozessen” betroffen waren”, sagte Prof. Dr. Uli Paetzel. Er ist Vorstandsvorsitzender von Emschergenossenschaft und Lippeverband, 2019 auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse.
In der Folge stellten EGLV gemeinsam mit dem Ruhrverband, mit dem sie in Essen ein Kooperationslabor betreiben, eine Gedenktafel für Dr. Hermann Bach auf. Darüber hinaus hat man im Sommer 2022 anlässlich des Besuchs von Bachs Angehörigen auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee zur Ehrung des ehemaligen Chef-Chemikers ein Grabstein für Dr. Hermann Bach gesetzt. Emschergenossenschaft und Lippeverband übernahmen die Kosten für den Grabstein.
Die Wasserwirtschaftsunternehmen Emschergenossenschaft und Lippeverband
Emschergenossenschaft und Lippeverband sind öffentlich-rechtliche Wasserwirtschaftsunternehmen, die als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip leben. Die Aufgaben der 1899 gegründeten Emschergenossenschaft sind unter anderem die Unterhaltung der Emscher, die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie der Hochwasserschutz.
Der 1926 gegründete Lippeverband bewirtschaftet das Flusseinzugsgebiet der Lippe im nördlichen Ruhrgebiet. Der Lippeverband baute unter anderem den Lippe-Zufluss Seseke naturnah um. Gemeinsam haben Emschergenossenschaft und Lippeverband rund 1.800 Beschäftigte. Sie sind Deutschlands größter Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken. (Rund 740 Kilometer Wasserläufe, rund 1320 Kilometer Abwasserkanäle, mehr als 500 Pumpwerke und fast 60 Kläranlagen). www.eglv.de
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