Spargelernte in Deutschland: Ausbeutung vor unserer Haustür

Spargelernte nicht auf Kosten der Arbeiter
Eines steht fest: der Spargel muss aus dem Boden geholt werden. Das sollte allerdings sozialverträglich und unter Beachtung der Arbeitsschutzbestimmungen geschehen. Foto: Pixabay

Neue Studie von Oxfam und der Initiative Faire Landarbeit zeigt unhaltbare Arbeitsbedingungen im Spargel- und Erdbeeranbau

23.05.2023 – Spargelernte – SaisonarbeiterInnen, die Spargel, Erdbeeren und Gemüse für deutsche Supermärkte ernten, erleben Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen: Lohndumping, Wuchermieten und unzureichender Krankenversicherungsschutz sind weit verbreitet. Mitverantwortlich ist der enorme Preisdruck deutscher Supermarktketten auf BäuerInnen.

Das zeigt die neue Oxfam-Studie „‘Das hier ist nicht Europa.‘ Ausbeutung im Spargel-, Erdbeer- und Gemüseanbau in Deutschland“. Oxfam und die Initiative Faire Landarbeit fordern, die Rechte der Saisonbeschäftigten besser zu schützten und dass die Supermärkte den enormen Preisdruck auf Zulieferer beenden.

Anders als für frühere Studien hat Oxfam nicht in Anbaugebieten von Südfrüchten recherchiert, sondern direkt vor unserer Haustür. Das Ergebnis: Auf deutschen Spargel- und Erdbeerhöfen herrschen unhaltbare Bedingungen. Grundlage der Studie ist sind eigene Recherchen und ein Bericht des PECO-Instituts. Es gibt Interviews mit ArbeiterInnen aus vier Betrieben. Mittels Testkäufen sind diese als Lieferanten deutscher Supermärkte identifiziert.


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Akkordlöhne und Wuchermieten für Baracken bei der Spargelernte

Die Ergebnisse der Recherche sind erschreckend: Löhne drückt man systematisch, viele ArbeiterInnen sind mit einer kaum durchschaubaren Kombination aus Stunden- und Akkordlöhnen konfrontiert. Sie berichten von schwer oder gar nicht erreichbaren Zielvorgaben. „Das sind keine Einzelfälle. Beschäftigte klagen regelmäßig über falsche Angaben bei der Arbeitszeiterfassung. Dadurch müssen sie mehr arbeiten, als sie bezahlt bekommen”, sagt Benjamin Luig von der Initiative Faire Landarbeit. „Zehn Stunden schwere und monotone körperliche Arbeit sind Alltag in der deutschen Landwirtschaft. Aber Lohndumping und massiver Leistungsdruck dürfen kein Geschäftsmodell sein.” Mitgliedsorganisationen der Initiative Faire Landarbeit beraten deutschlandweit SaisonarbeiterInnen zu ihren Arbeitsrechten.

Unterkunft für Spagelstecher
Bis zu 40 Euro pro m² müsen Spagelstecher für solche Bruchbuden zahlen. Bild: Oxfam

Ein weiteres Problem sind hohe Lohnabzüge. ArbeiterInnen zahlen für einfachste Gemeinschaftsunterkünfte mehr als die Durchschnittsmieten deutscher Großstädte. „Für eine Baracke ohne Küche verlangt einer der Betriebe 40 Euro pro Quadratmeter. Die durchschnittliche Kaltmiete in der Münchner Innenstadt liegt bei 23 Euro. Hier nutzt man alle Spielräume, Menschen um ihren gerechten Lohn zu bringen“, sagt Steffen Vogel, Oxfam-Referent für globale Lieferketten und Menschenrechte im Agrarsektor. Besonders ein Betrieb in Brandenburg erweist sich als skandalös: Die Unterkünfte gleichen Baracken, in den Zimmern wächst Schimmel. Eine Küche gibt es nicht, gekocht wird auf mobilen Herdplatten. „Das hier ist nicht Europa.“, resümiert ein befragter Arbeiter. Supermarktgigant Edeka, pries derweil „Unterkünfte mit Hotelcharakter“ an.

Spargelernte: Kündigung bei Krankheit

Die Studie belegt auch die unzureichende Versicherung der ArbeiterInnen. Die meisten haben keinen umfassenden Krankenversicherungsschutz oder geben an, gar nicht versichert zu sein. Ein Großteil ist über das Modell der kurzfristigen Beschäftigung angestellt. Für diese ArbeiterInnen schließen Betriebe meist private Gruppen-Krankenversicherungen ab. Diese bieten ein weit geringeres Leistungsspektrum als gesetzliche Versicherungen. Manche berichteten, dass sie ihre Behandlungskosten selbst bezahlen mussten. Wegen extrem kurzer Kündigungsfristen von bis zu einem Tag kommt es vor, dass ArbeiterInnen noch krank oder verletzt die Heimreise antreten.

Marktmacht: Ja, Verantwortung: Nein. Supermärkte drücken Preise ins Bodenlose

Die Verantwortung für diese unhaltbaren Arbeitsbedingungen liegt nicht nur bei den Betrieben, sondern auch bei den deutschen Supermärkten, die für Spargel, Erdbeeren und Gemüse ruinös niedrige Preise zahlen. In Deutschland teilen die Big Four – Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland mehr als 85% des deutschen Lebensmitteleinzelhandels unter sich auf.

„Die Supermärkte üben einen brutalen Preisdruck aus“, sagt Tim Zahn, Referent für globale Lieferketten, Menschenrechte und Migration bei Oxfam. „Den Preisdruck geben die Betriebe nach unten weiter: an die ArbeiterInnen auf den Feldern. Und er hat weitere Folgen: Viele kleinere landwirtschaftliche Betriebe geben auf. Die Supermärkte stehlen sich hier seit Jahren aus der Verantwortung, sie müssen endlich dazu gebracht werden, angemessene Preise zu zahlen.“

Oxfam Deutschland und die Initiative Faire Landarbeit fordern deshalb, dass der Einkauf unter Produktionskosten verboten wird. Die Bundesregierung muss zudem dafür sorgen, dass SaisonarbeiterInnen grundsätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden, unter anderem, damit sie vollen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz vom ersten Tag an erhalten.

Quelle: Oxfam Deutschland e.V.


Polizeibericht aus Gladbeck Mitteilungen der Stadt Gladbeck

3 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Michalowsky,
    es ist richtig und lobenswert, dass Sie in der Neuen Gladbecker Zeitung derartige unerträgliche Missstände und die Ausbeutung von Mitarbeitenden in landwirstschaftlichen Betrieben aufdecken. Wenn Sie aber schreiben “Auf deutschen Spargel- und Erdbeerhöfen herrschen unhaltbare Bedingungen.”, dann ist das zu pauschal.
    Ihre Zeitung wird in Gladbeck und Umgebung gelesen. Ich kaufe persönlich Spargel und Erdbeeren jede Woche bei einem regionalen Betrieb ein. Und ich hatte bisher nicht nur von der Qualität der Produkte, sondern auch von den Arbeits- und Produktionsbedingungen einen sehr guten Eindruck.
    Vielleicht wäre es für Sie und die Neue Gladbecker Zeitung eine Aufgabe zu untersuchen, wie es auf den Spargel-, Erdbeer- und Gemüsehöfen in unserer Nachbarschaft läuft. Möglicherweise gibt es bei den Direktvermarktern ein ganz anderes und positives Bild. Das könnte dann auch Gladbeckerinnen und Gladbecker überzeugen, regional und saisonal beim Erzeuger einzukaufen. Würde mich freuen, wenn Sie die Idee aufgreifen.
    Michael Dahmen

  2. Nun ja, das ist m.E. zu Pauschal geschrieben ? !
    In den – vielen – Erdbeer und Spargelsendungen in TV Berichten
    kommt derart – Frage – gar nicht erst auf !?! Oder, werden wir
    vorsätzlich von den öffentlich rechtlichen hinters Licht geführt ?
    Die verantwortlich Bauern erklären doch immer wieder, dass sie ordentlich
    bezahlen ! Und dass auch deshalb , gerade dieses Jahr , der Spargel z.B. so teuer ist.
    Und wenn man derart Doku zu Ende sieht: erklären doch die meisten befragten Kunden vor Ort, dass sie gerne mehr zahlen – Hauptsache – sie haben und dann frisch vom Feld !!

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