Grüne Gladbeck lassen sich von Stadtverwaltung einlullen

Grüne Gladbeck lassen sich von Stadtverwaltung einlullen
Die beiden Halden an der B224 kompensieren die Wärmeinsel der Innenstadt. Foto: Neue Gladbecker Zeitung

Enttäuschend: Gladbecker Grüne stimmen gegen Erhalt von 4 ha Wald zugunsten eines Gewerbegebietes

Von Dr. Norbert Marißen

Die „Große Steinhalde“

03.04.2023 – Grüne Gladbeck – Der Umweltausschuss des Gladbecker Rates beschäftigte sich am 25.5.23 mit einem von den Linken angeforderten Bericht der Verwaltung zur Großen Steinhalde. Sie liegt südlich an der B224 und spielt bei Stadtentwicklungsüberlegungen einer erhofften Übertunnelung der geplanten A52 eine Rolle.

Nur 300 Meter vom Marktplatz entfernt hat sich auf einer Fläche von 4 ha ein echter Naturwalt entwickelt. Auf der 12 Meter hohen ursprünglich kahlen Bergehalde konnte ein dichter Waldbestand mit hochstämmigen Bäumen heranwachsen. Wegen Einsturzgefahr darf das Gebiet seit Jahrzehnten nicht betreten werden und ist seit 2001 sogar eingezäunt. Ungestört konnte sich eine besondere Fauna und Flora entwickeln.

Kreankenhaushalde am Rande der Stadt
Von solch einem Grünzug direkt am Rande der Innenstadt träumen manche Städte. Karte: RVR

Gewerbegebiet statt Naturwald

Die Verwaltung möchte die Große Steinhalde für die Planung des eventuellen A52-Tunnels beseitigen und plant dort für die Zukunft ein Gewerbegebiet. Deshalb beantragte sie, sie mit weiteren Vorarbeiten für eine Abbaggerung der Steinhalde zu beauftragen und ein schlichtes Artengutachten für nur 15.000 Euro in Auftrag geben zu dürfen, um gegebenfalls Ausgleichsmaßnahmen zu veranlassen.


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Einsturzgefährdetes Stollensystem

Wegen des einsturzgefährdeten Stollensystems des ehemaligen Krankenhauses sei laut Verwaltung mittelfristig ein Fällen der Bäume aus sicherheitstechnischen Gründen unumgänglich. Das überzeugt nicht, denn aufgrund der Einzäunung der Halde und dem Betretungsverbot besteht für Menschen kein Sicherheitsrisiko, falls Bäume umstürzen sollten. Am Fuße der Halde sind im Frühjahr schon Bäume gefällt worden.

Grüne Gladbeck erkennen nicht den hohen ökologischen und klimatischen Nutzen

Es gibt keinen Grund, den Status quo grundsätzlich wesentlich zu ändern, da die Halde einen hohen ökologischen und klimatischen Nutzen hat. Selbst laut Verwaltung ist sie ein „Trittsteinbiotop“ für Tier- und Pflanzenarten und ein Landschaftsschutzgebiet (LSG 4407-0017 im Landschaftsplan Gladbeck Nr.4). Als solches hat sie die Aufgabe, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhalten und wiederherzustellen. Der Großen Steinhalde wird ein „Waldklima“ mit einer „sehr hohen“ klimaökologischen Bedeutung attestiert. Das ist besonders angesichts des geplanten großen Autobahnkreuzes mit seinem Lärmpegel und seiner Feinstaubbelastung wichtig zum Schutz der angrenzenden Siedlungen. Es leuchtet daher nicht ein, wie die Verwaltung dann behaupten kann, die Halde habe „keine wesentliche Klimarelevanz“ und deswegen seien Alternativprüfungen nicht erforderlich. Damit widerspricht sie eklatant dem vorher Dargelegten, das im Gegenteil negative Klimaauswirkungen sehr wahrscheinlich macht.

Wärmeinsel Innestadt und Grüne Halde
Der rote Bereich oberhalb der Wilhelmstraße ist eindeutig eine Wärmeinsel, zu deren Kompensation die Grünen Halden (roter Kreis) an der B224 beitragen. Abbildung: Geoatlas RVR

Dachbegrünung statt Wald

Der Städtebauliche Wettbewerb „37° Nordost“ hofft, auf der Fläche von Großer Steinhalde und Festplatz innovative Hightech-Unternehmen ansiedeln zu können. Dabei sollen auch Grünflächen angelegt und Fassaden- und Dachbegrünung vorgenommen werden. Allerdings erschließt sich nicht, wie dieses vergleichsweise wenige Grün die ca. 4 ha Wald der Großen Steinhalde in ihrer vielfältigen ökologischen Wirkung auch nur ansatzweise kompensieren soll.

In den weiteren Ausführungen bezeichnet die Verwaltung die gewünschte Nachnutzung der Großen Steinhalde als „Vorbild für Flächenrecycling“ der Hinterlassenschaften der Montanindustrie, die einen ökologischen „Mehrwert“ schaffen würden. Diese Darstellung wirft die Frage auf, wie ein Landschaftsschutzgebiet weniger ökologischen Wert haben kann als dann eine großenteils versiegelte und bebaute Fläche mit zwangsläufig nur vergleichsweise kleinen Grünflächen.

Die Verwaltung behauptet weiter, die dann geplanten Dach- und Fassadenbegrünungen würden durch ihre Dämm- und Wasserspeicherfunktionen zu einer „Verbesserung des Mikroklimas“ beitragen. Das ist aus unserer Sicht nicht einleuchtend, denn wie sollen sie dazu mehr beitragen als 4 ha begrünter Halde mit attestiertem Waldklima?

Hitzeschutz statt Versiegelung

Ihre ökologische Bedeutung liegt zum einen in der Tatsache, dass sich wegen des Betretungsverbotes seit ca. 70 Jahren auf ihr Flora und Fauna weitgehend ungestört entwickeln konnten. Stadtklimatisch ist sie durch ein auch begrüntes Gewerbegebiet als Frischluftschneise nicht ersetzbar. Dass die Verwaltung in der Nähe des Waldes keine Wärmeinseln feststellen kann, schränkt seinen Wert nicht ein, wie die Verwaltung behauptet, sondern belegt die Bedeutung für den Hitzeschutz. Der Haldenwald schützt vor Extremtemperaturen, die die Klimaforscher auch für Gladbeck vorhersagen.

Keine Untersuchungen zu Klima und Ökologie

Die Stadtverwaltung gesteht ein, dass keine entsprechenden Untersuchungen vorliegen. Das nun beauftragte artenschutzrechtliche Untersuchung der Halde ist zwar an sich richtig, aber hier zu schlicht und eigentlich auch nicht Aufgabe der Stadt. Sie müsste nämlich Teil der Umweltverträglichkeitsstudie des Baus der A52 sein. Diese liegt für diesen Abschnitt zwar schon seit 2018 vor, hat aber die Steinhalde komplett ausgelassen. Diese Wissenslücke muss geschlossen sein, bevor man weiter über die Zukunft des Haldenwaldes entscheidet.

Grüne Gladbeck für Beseitigung des Haldenwaldes

Vor der Abstimmung im Planungsausschuss informierte der BUND Gladbeck die Parteien ausführlich über die Bedeutung des Haldenwaldes. Wenig überraschend stimmten trotzdem nach langer Diskussion SPD, CDU und FDP dem Antrag der Verwaltung zu, wobei sich besonders die SPD für die Beseitigung der Halde einsetzte. Enttäuschend ist jedoch, dass auch die Umweltpartei Die Grünen den Wert der bewaldeten Halde für das Nahklima umliegender Siedlungen, für Flora und Fauna nicht erkennen wollten und sich jetzt schon für eine Weiterverfolgung der Abbagerungsvorbereitungen aussprachen, obwohl es für die A52, geschweige denn für einen Tunnel, noch längst kein Planfeststellungsverfahren gibt. Eine solche Entscheidung ist also deutlich verfrüht und bereitet die Schaffung klimafeindlicher Fakten vor. Allein die Linken argumentierten für den Verbleib der Halde.


Polizeibericht aus Gladbeck Mitteilungen der Stadt Gladbeck

5 Kommentare

  1. Vielleicht hilft dieser sehr lesenswerte Artikel ein wenig beim Nachdenken:
    https://www.spektrum.de/news/sieben-von-acht-grenzen-des-erdsystems-sind-ueberschritten/2146776
    Ein Satz daraus: “Eigentlich müssten 20 bis 25 Prozent eines jeden Quadratkilometers von weitgehend natürlicher Vegetation bedeckt sein… ” Davon ist Gladbeck weit entfernt. Die Halde bewirkt aber immerhin für 16 ha, in denen sie liegt, einen gewissen Ausgleich. Ein Gewerbegebiet kann das nicht. Es verlangt selbst einen Ausgleich…
    Wir müssen jeden Quadratmeter naturnaher Grünfläche vor den “Investoren” und ihren Dienern retten!

  2. Laut Manfred Samen (s. Heft 2, 1998 in „Gladbeck unserer Stadt“) sollen die damaligen Grünen einen ökologischen Vorschlag gemacht haben: Öffnung der Stollen unter der Moltkehalde, damit den Fledermäusen dort Quartier geboten werden könne. Wie weit sind die heutigen Grünen eigentlich von der Ökologie entfernt?

    Eine Initiative zur Erhaltung der Halde und darin befindlichen Krankenhausstollen hatte die Partei der Linken im Jahre 2009 schon ergriffen, nachdem im September 2009 ein neuer Bebauungsplan (144) von der Stadt aufgestellt worden war.

    Auch der Arbeitskreis Stadtbildpflege verfolgte dieses Anliegen im Jahre 2012 durch eine Anfrage an das Denkmalamt in Münster, ob die Möglichkeit bestünde, die bewaldete Halde aus biologisch/ökologischer Sicht und die noch vorhandenen Stollen als Relikte einer besonderen Phase der stadtgeschichtlichen Entwicklung unter Denkmalschutz zu stellen. Das Denkmalamt schloss sich aber leider der Einschätzung eines „Studienkreis Bochum Bunker e.V.“ an, der – nach Begehung Ende der 90er Jahre – zu dem Ergebnis kam, von einer Eintragung in die Denkmalliste der Stadt Gladbeck abzusehen.

    Aber unabhängig davon, ob es ein Denkmal wäre oder nicht, würde es nach einschlägigen Erfahrungen der letzten Jahre die Stadt davon abhalten, einen Abriss zu verfolgen, nur um weiterhin dem Hirngespinst einer A 52 mit Tunnel nach zu träumen? Es ist mit normalem Menschenverstand nicht mehr zu begreifen, wie viel Millionen Euros schon im vorauseilenden Gehorsam oder aus Gefallsucht in Planungen dazu herausgeschmissen werden, die zum großen Teil nicht mal in die Zuständigkeit der Stadt fallen!

    Alle Argumente dagegen werden einfach in den Wind geschlagen. Ich empfehle, nochmals obigen Aufsatz von Manfred Samen nachzulesen, um die damalige Bedeutung und die Leistung für die Stadt Gladbeck zu begreifen, die man heute durch einen Erhalt der Halde würdigen und gleichzeitig einen ökologisch/klimatischen Nutzen daraus ziehen könnte.

    Dr. W. Schneider, Mitglied im AK Stadtbildpflege

  3. Halde Molkte der Umwelt erhalten
    Ich staune nur, mit welchen Argumenten hier, die Politiker über den Tisch gezogen werden. Sie sollten ja die Vertreter der Bürger sein, die sie gewählt haben. Nachdem die Mehrheit, wegen der negativen Folgen, gegen den Ausbau gestimmt hatte, wird weiter an dieser Illusion gearbeitet.
    Ringsherum steht die Umwelt in Flammen, aber hier wird weiter die Lebensqualität der Stadt ruiniert. Gut durchdachte Argumente, zugunsten des Mammon, ignoriert.
    Mit Scheinvorteilen, wie Gladbeck wächst zusammen, die Bürger auf eine negative Zukunft gelockt. Die 37Grad werden dann bald überschritten. Wenn es für viel Geld passiert ist, hilft kein Jammern mehr.
    Eine Verkehrswende bleibt eine Illusion. Der Umwelt wird mit Spielchen, wie Blumenbeetchen oder Bäumchen in Kübeln, oder Umwelt.-und Bürgerpreis, Sand in die Augen gestreut.
    Ich bin an sich alt genug, daß ich so was nicht mehr schreiben muß, aber, daß dadurch verursachte Umweltelend treibt mich immer noch um.
    Ein letzter noch nicht resignierter Gladbecker

  4. JA,
    es ist und bleibt für Gladbecks Politik ein Fake: diese sog.
    yyyyy
    KLIMANOTSTANDSTADT;
    reine SHOW- Darstellerei unserer Politik!
    yyyyyyy
    Dass diese sogenannten GRÜNEN jedem Spektakel in Gladbeck in Vernichtung
    von Grün sogar Hurra schreien konnte man ja schon in ZWECKEL erleben!
    Wie viel Grün dort in den vergangenen Jahren um 2020 herum schon begann!
    Da interessiert niemanden das Mehrfache gutachterliche feststellen – von Unterwasserstehen in Zweckel!!
    Hauptsache es werden wieder “30 m Radweg” erstellt !!
    Dass in der Politik keine Fachleute sitzen ist nicht zu verurteilen,
    aber dass sich diese Politik so vorführen lässt und nicht hinterfragt
    ist – VERWERFLICH – und zu k..tz.. !!
    yyyyyyy
    NEIN zum Abtragen dieser – HALDE – .

  5. Ansiedlung innovativer Hightech-Unternehmen… Es geht also um Mehrwert. Aber nicht um ökologischen. Wie immer in den letzten Jahren wo eine Grünfläche nach der anderen an “Investoren” verhökert wurde nachdem die Verwaltung den ökologischen Wert der Flächen kleingerechnet und mit ein paar Büschen in Kirchhellen “ausgeglichen” hat.
    Die Fakten, die Herr Marißen anführt, lassen sich nicht einfach per Gutachten wegdiskutieren. Keine Wärmeinseln in der Nähe der Halde? Wie er richtig bemerkte: Warum wohl? Schon mal etwas von Hangabwind in Waldgebieten gehört? Gut, das ist Physik und man kann von einer hierarchischen Verwaltung und schon gar nicht von Parteien erwarten, dass sie sich perfekt damit auskennen. Aber vielleicht könnte man auf Fachleute hören? Ich meine jetzt nicht die Fachleute für High Tech Investitionen, sondern eher die, die etwas von Naturschutz und Stadtklima verstehen. Wirklich peinlich für die Gladbecker Führungsriege, dass nicht einmal das Zuhören klappt beim Gedanken daran, dass irgendwo in der Zukunft jemand mit Geldscheinen winken könnte. Wie leicht man doch die Menschen ablenken kann!

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